Atomkraft ist billig. Von wegen! Inzwischen kommt selbst Frankreichs Rechnungshof nicht umhin, vor den hohen Kosten und den mageren Renditen von Kernkraftprojekten wie Flamanville zu warnen.

Atomkraftwerk Flamanville Französischer Rechnunghof gibt zu: Lohnt sich nicht wirklich (EDF)
3 Milliarden, 7 Milliarden, 13 Milliarden, 20 Milliarden Euro – wer hat noch nicht, wer will noch mehr? Frankreichs Atomwirtschaft kennt nur eine Richtung: nach oben. Zumindest, wenn es um die Kosten für das einzige atomare Neubauprojekt der Nation geht. Jetzt hat der französische Rechnungshof noch eins draufgesetzt: 23,7 Milliarden Euro beträgt laut seinem Bericht die Gesamtrechnung für das jüngste Atomprojekt – statt der urspünglich geplanten 3,2 bis 3,3 Milliarden Euro. Damit ist das Vorhaben rund siebenmal teurer als geplant.
Nicht nur deshalb ist Flamanville ein Projekt der Superlative. Auch die Bauzeit übertraf alle Erwartungen. 2005 geplant, Ende 2007 als Bau gestartet, sollte es 2012 fertig werden. Tatsächlich begann der Probebetrieb erst vor wenigen Wochen. Der reguläre Betrieb ist erst ab kommendem Sommer geplant, gut zwölf Jahre später als vorgesehen.
Miese Marge
Der Rechnungshof bemängelt jedoch nicht nur die Bauzeit und die aus dem Ruder gelaufenen Kosten. Seinen Kalkulationen zufolge wird der Atomreaktor nur eine „mittelmäßige“ Rendite erreichen. Denn sollte der Strom für neun Cent je Kilowattstunde verkauft werden, kommt nicht einmal eine Rendite von zwei Prozent zustande. Mit dieser Marge ist das Projekt dem Bericht des Rechnungshofes zufolge jedoch nicht mehr rentabel. Für eine Rendite von vier Prozent müsste der Preis pro Kilowattstunde jedoch bei 12,2 Cent liegen.
Bei einer Rendite von sieben Prozent – angemessen angesichts der kaufmännischen Risiken – würde der Preis pro Kilowattstunde auf 17,6 Cent ansteigen. Laut der konservativen Tageszeitung Le Figaro liegt der Zielpreis des Betreibers EDF jedoch bei nur sieben Cent. Dieser Preis wurde vor gut einem Jahr zwischen der französischen Regierung und dem staatlichen Stromvorsorger vereinbart. Ohne Subventionen aus der Staatskasse geht es also nicht.
EDF spielt mit verdeckten Karten
Die genauen Zahlen für den Betrieb kennt selbst der Rechnungshof nicht. Denn der staatliche Stromversorger EDF „weigerte sich bewusst und beharrlich, (…) Informationen über die prognostizierte Rentabiliät und Produktionskosten zu kommunizieren“, zitiert die französische Tageszeitung Le Monde aus dem Bericht der Kontrolleure.
Experten gehen bei der vergleichbaren Anlage im britischen Hinkley Point von Strompreisen ab 15 Cent aufwärts pro Kilowattstunde aus. Das ist mehr als doppelt so viel, wie der Strom aus Windkraft kostet. Nicht eingerechnet sind die Endlagerkosten. Ebenso wenig gehen die Risiken in die Preiskalkulation ein. Das AKW-Unglück im japanischen Fukushima verursachte im Jahr 2011 einen Schaden, der je nach Schätzung zwischen 250 und 750 Milliarden Dollar betrug. Für solche Risiken gibt es keine private Versicherung, weshalb letztlich der Steuerzahler einsteht. Für die Verbraucher kämen zu den Strompreisen ab Kraftwerk noch Steuern, Vertriebs- und Netzkosten dazu.
Bereits vor fünf Jahren hatte der Rechnungshof die Kostenexplosion kritisiert – und etliche Empfehlungen gegeben. Im jüngsten Bericht beklagen die obersten Buchprüfer Frankreichs die mangelnde Umsetzung ihrer seinerzeitigen Ratschläge.
Atomare Träumereien
Für die Zukunft schwant den Kontrolleuren allerdings Schlimmeres. Denn trotz der Kosten- und Bauzeit-Katastrophe in Flamanville hat Staatspräsident Emanuel Macron den Bau von bis zu vierzehn weiteren Reaktoren angekündigt. Selbst wenn nur das Minimalziel von sechs Reaktoren erreicht wrid, handelt es sich um Investitionen in Höhe von hundert Milliarden Euro – wenn es nicht zu Pannen wie in Flamanville kommt. Nach Meinung des Rechnungshofes ist der französische Nuklearsektor für dieses atompolitische Megaprojekt nicht gerüstet. Die Industrie ist, so heißt es in dem Bericht „noch lange nicht bereit und muss noch zahlreiche Herausforderungen meistern, von denen einige besorgniserregend sind.“
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