Die Anlage des Startups aus Straßburg entfernt das Klimagas Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Sie könnte bereits in wenigen Jahren marktfähiges Methanol liefern.
Sébastien Fiedorow will die Welt retten. „Unsere Mission war von Anfang an klar: E-Fuels so bezahlbar und zugänglich wie fossile Brennstoffe zu machen“, sagte der Mitgründer und CEO von Aerleum dem Nachrichtendienst TechCrunch. „Wir haben vor, ganze Branchen umzugestalten und sie in die Lage zu versetzen, schneller und effizienter Netto-Null-Emissionen zu erreichen.“ Ein hehres Ziel. Nicht immer war der Venture-Kapitalist so überzeugt von dem Projekt wie heute. Als ihn Marble, ein Pariser Startup-Zentrum für Klimaprojekte, anrief, winkte er erst einmal ab. Nein, an Projekten zur Abscheidung von Kohlendioxid wolle sich nicht beteiligen.
Doch dann, nach einigen Gesprächen mit Steven Bardey, einem jungen Wissenschaftler aus Straßburg, stieg er ein. Barley hatte Materialien und Katalysatoren entwickelt, die nicht nur Kohlendioxid der Luft entzogen, sondern in einem zweiten Schritt das Klimagas in Methanol umwandeln. Im Sommer 2023 gründeten Fiederow und Bardey Aerleum, um aus der Idee ein Geschäft zu machen.
Methanol aus Kohlendioxid
Um das CO2 aufzufangen, hat Aerleum eine Struktur aus dem neuartigen Material konstruiert, durch die Luft strömt. Wenn das Material mit CO2 gesättigt ist, wird Wasserstoff hinzugegeben. Der Wasserstoff verbindet sich dann mit dem Kohlendioxid zu gasförmigem Methanol. Anschließend reinigt und kühlt die Anlage das Methanol.
Für Laien mag der Prozess als alchemistische Goldmacherrei erscheinen. Doch erst vor wenigen Tagen hat Aerleum den erfolgreichen Abschluss einer Seed-Finanzierung in Höhe von sechs Millionen US-Dollar bekannt gegeben. Beteiligt sind erfahrene und spezialisierte Risiko-Finanzierer wie 360 Capital, HTGF, Norrsken, Bpifrance und Marble. Hinzu kommt, dass Aerleum in der kurzen Zeit seit der Gründung schon etliche Auszeichnungen erhalten hat – unter anderem den CMA CGM „Climate Innovation Challenge“ Award, den Technip Energies „Clean Maritime Challenge“, die EDF Pulse 2024 Challenge, den Prix Pépite und vor kurzem den 2024 i-lab State Innovation Challenge. Zu den Partner gehören der Petrolriese Shell, das französische Forschungsnetzwerk CNRS, der staatliche Stromversorger EDF und die Universität von Straßburg.
Das Endprodukt Methanol ist für die chemische Industrie Gold wert. Ähnliches gilt für die Transportbranche. Denn für Flugzeuge, Schiffe oder Laster sind Elektroantriebe wenig geeignet, weil die Batterien zu schwer sind. Mit 110 Millionen Tonnen Jahresproduktion weltweit ist Methanol einer der meistproduzierten organischen Chemikalien überhaupt. Doch die klassische Produktion ist alles andere als klimafreundlich. Sie arbeitet mit hohen Drücken zwischen 50 bis 100 bar und Temperaturen von 200 bis und 300 Grad Celsius. Jede herkömmlich erzeugte Tonne Methanol erzeugt einen Ausstoß von 1,5 Tonnen CO2.
Wertvoller Energiespeicher
Methanol ist (fast) ein chemischer Alleskönner. Es ist das Ausgangsprodukt für Formaldhyd, Ameisen- und Essigsäure. Methanol kann Kraftwerke antreiben. Es ist ein günstiges, hochdichtes Speichermaterial, um Windflauten oder sonnenarme Zeiten abzupuffern. Für die Transportwirtschaft ist grünes Methanol die Lösung des Klimaproblems. Denn Methanol, das bei Zimmertemperatur flüssig ist, kann – vermischt mit Wasser – Brennstoffzellen antreiben. Methanol kann aber auch angepasste Motoren direkt antreiben. Oder als Beimischung gängige Motoren versorgen. Und das MtG-Verfahren (Methanol to Gasoline) verwandelt Methanol in herkömmliche Kraftstoffe wie Kerosin, Benzin oder Diesel.
Wenig erstaunlich also, dass große Energiekonzerne ganz heiß auf das Aerleum-Verfahren sind. Zwar kostet die Tonne Methanol à la Aerleum zunächst rund 1 200 Dollar. Zu viel, um auf dem freien Markt konkurriern zu können. Dort bewegen sich die Preise je nach Standort zwischen 380 und 780 Dollar pro Tonne. Doch in fünf Jahren, so hofft Fiedorow, könnte der Preis von Aerleum-Methanol auf 650 Dollar pro Tonne fallen. Helfen dürften dabei die steigenden CO2-Preise. Zu wünschen wäre es. Denn das Aerleum-Verfahren schlägt zwei klimapolitische Fliegen mit einer Klappe: Zum einen vernichtet es CO2. Zum andern liefert es der Transportwirtschaft klimafreundliche Treibstoffe statt fossiler Klimakiller.
Mehr: TechCrunch; Chemie.de
Dies mag ja eine tolle Technologie sein um Methanol CO2frei zu erzeugen. Man darf gespannt sein. Aber bitte E-Fuels oder sonstige Brennstoffe werden in der Straßenlogistik nicht gebraucht. Der LKW-Verkehr wird gerade elektrisch. Die Mähr von den zu schweren Batterien ist längst überholt und die Praxis zeigt dies auch. Ihr solltet bei der Übernahme von Informationen doch etwas achtsamer sein.
Ist das wirklich eine Lösung? CO2 wird wohl bei dieser Form der Herstellung der Atmosphäre entzogen. Bei der Verbrennung von Methanol wird es ihr aber wieder zugeführt. Das hei0t, dass es sich im besten Fall um ein Nullsummenspiel handelt.
Grundsätzlich kann man diese Technologie wohl durchaus als wichtigen Fortschritt ansehen. Wird sie konsequent eingesetzt, kann es dazu beitragen, die CO2-Bilanz zu verbessern, indem es erleichtert, auf andere Prozesse zu verzichten, die zusätzliches CO2 in der Atmosphäre freisetzen. Ein wirklicher CO2-Entzug aus der Atmosphäre ist aber nur dann zu verzeichnen, wenn entsprechend große Mengen des so gewonnenen Methanols anschließend nicht direkt oder indirekt verbrannt werden. Das aber halte ich für wenig realistisch. Allerdings lässt sich vielleicht durch staatliche Regulierungen nachhelfen, mit denen CO2-Erzeuger verpflichtet werden, ihre CO2-Bilanz auf 0 zu senken, indem sie entsprechend viel Methanol auf diese Weise herstellen. Dafür brauchten sie dann keine CO2-Zertifikate erwerben. Die Regulierungen allein allerdings werden wirkungslos bleiben, wenn keine Mechanismen implementiert werden, um diese Regulierungen auch durchzusetzen. Sanktionen wären das falsche Mittel, denn sie entziehen der Atmosphäre kein CO2.