Blackout in Spanien: Weder Hacker noch zu viele Solaranlagen waren Schuld, der Schlüssel liegt in Wahrheit woanders

Für Propagandisten war der Blackout bei der Stromversorgung in Spanien der willkommene Anlass, als möglich Ursache zu viele Solaranlagen oder Hacker aus Russland oder China ins Spiel zu bringen. Doch die Ursache ist eine andere, eher noch gravierende. Ein Nachklapp von Reinhold Böhmer.

Blackout-Verursacher Solaranergie? Durchsichtige Propaganda der Energiewende-Gegner (Foto: Canva /pixabay)
Blackout-Verursacher Solaranergie? Durchsichtige Propaganda der Energiewende-Gegner (Foto: Canva /pixabay)

Es ist eine alte Regel des Journalismus: Wer keine Ahnung hat, frage denjenigen, der eine hat. Doch natürlich gilt diese Regel nicht für diejenigen, die statt zu aufzuklären, Propaganda im Schilde führen. Dies zeigte sich wieder einmal ganz besonders bei dem zehnstündigen Stromausfall in Spanien Ende April.

Plumpe Propaganda der Energiewende- und Russenhasser

Fast reflexartig stürzten sich die Hasser der Energiewende auf den Blackout und behaupteten, Schuld sei eine Überangebot an Solarstrom gewesen – Kronzeuge: der notorische Erneuerbare-Gegner und ehemalige Manager Fritz Vahrenholt. Fast freudig stimmte focus online in die Propaganda ein und schwadronierte, dies sei der „erste Blackout der grünen Ära“. Ähnlich besessen nutzte die Anti-China- und -Russland-Fraktion das Thema. „Waren es gar russische Hacker?“, fragte Bild. Sogar die Nato sei eingeschaltet worden, berichtete euronews. Vielleicht um auf die Schnelle ein paar Solar- und Windanlagen zu bombardieren, könnte man fragen, wäre man dem Sarkasmus verfallen.

Expertenmeinung gegen Ahnungslosigkeit und unlautere Absicht

Gut, dass es das Handelsblatt gab, das als eines der wenigen Medien sich des Themas vorurteilsfrei annahm und denjenigen befragte, der es wissen muss: Diego Rodríguez, Professor an der Complutense Universität in Madrid und Chefberater der spanischen Regierung beim ökologischen Wandel der Energieversorgung auf der iberischen Halbinsel. Was Rodríguez zum Besten gab, straft alle Vahrenholts und Konfliktschürer wenn nicht Lügen, so doch zumindest unlauterer Absichten, bestenfalls Ahnungslosigkeit.

Fehler im Netzmanagement

Zu hohe Einspeisung von Solarstrom, die zu einer schlagartigen unsteuerbaren Abschaltung unzähliger herkömmlicher Kraftwerke führte, in der Summe übrigens mit einer Leistung von 15 Gigawatt, was 15 großen Kohle- oder Atommeilern entsprach? Diego Rodríguez‘ klare Antwort: Die Produktion erneuerbarer Energie sei am Tag des Blackouts zwar „hoch, aber nicht ungewöhnlich hoch“ gewesen. Das heißt, hätte es an zu viel Solarstrom gelegen, dann hätte die Stromversorgung in Spanien schon früher und öfter mal zusammenbrechen müssen, fällt als Ursache für den Blackout also aus.

Oder lag es an den bösen Russen oder Chinesen, die am Beispiel Spaniens zeigen wollten, was sie der westlichen Wertegemeinschaft anzutun in der Lage sind? Rodríguez fast enttäuscht: „Derzeit deutet alles darauf hin, dass der Fehler im Management des Netzes lag. Einen Cyberangriff hat der Übertragungsnetzbetreiber Red Electrica ausgeschlossen. Obwohl das dies die harmlose Variante wäre.“ Denn gegen einen solchen Angriff könne man sich, so Rodriguez, „vergleichsweise leicht mit höheren Sicherheitsvorkehrungen schützen“.

Für den God Father der spanischen Energiewende gibt es deshalb nur einen Grund für den Horror-Stromausfall fast einen halben Tag lang, nämlich schlechtes Netzmanagement. „Der Vorfall hat eindeutig eine Schwäche des spanischen Netzmanagements offenbart“, so Rodríguez. Es habe aus irgendeinem Grund versäumt, einen möglichen Ausfall eines lokalen Stromversorgers vorherzusehen und für ausreichend Abhilfe in einem solchen Fall zu sorgen.

Kein Grund, auf Panikmache in Deutschland hereinzufallen

Die Aussage ist ein indirekter Aufruf an die deutschen Netzbetreiber, hier weiterhin achtsam zu sein oder noch achtsamer zu werden. Denn ein wichtiger Punkt beim Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Erhalt der Netzstabilität ist nach Meinung Rodríguez der Aufbau von genügend Stromspeichern, der in Spanien in den vergangenen zehn Jahren leider nicht vorangekommen. In Deutschland scheint die Lage in dieser Hinsicht zumindest besser zu werden. Kein Grund also, auf die Panikmache der Energiewende-, Chinesen- und Russenhasser hier zu Lande hereinzufallen.

Mehr: Handelsblatt

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