Tram, U-Bahn und Busse bekommen ihr Geld von Fahrgästen sowie von Kommunen, Bund und Ländern. Meist reicht es nicht für ein attraktives Angebot. Die Anzahl der Nutzer soll sich bis 2030 verdoppeln. Doch das wird nicht ohne neue Geldquellen gehen. In Berlin sorgt eine Studie dazu für Konflikte.
Vor dem Ausbruch der Pandemie nahmen die Verkehrsgesellschaften der Städte und Kreise etwa 13 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Fahrkarten und 11 Milliarden an öffentlichen Zuschüssen ein. Zum einem großen Teil stammt der Staatszuschuss aus der Mineralölsteuer. Doch die Möglichkeiten des Fiskus zur Unterstützung sind beschränkt. Die vollständige Übernahme der Gelder aus den Ticketverkäufen durch den Staat, wie sie die Anhänger des Nulltarifs fordern, ist politisch kaum durchsetzbar. In den Ampelvereinbarungen ist jedenfalls keine Rede davon.
Sollen die Fahrgastzahlen wie geplant steigen, die Wartezeiten an den Haltestellen kürzer und die Netze dichter werden, wird es auf jeden Fall teurer. Die Verkehrsbetriebe müssen dann – so Hochrechnungen der Gewerkschaft Ver.di – zusätzlich acht Milliarden Euro investieren und Jahr für Jahr vier Milliarden Euro mehr für Personal ausgeben. Der jährliche Fehlbetrag nach Ticketeinnahmen dürfte dann deutschlandweit schnell auf 20 Milliarden Euro oder mehr steigen.
Wer profitiert, soll zahlen
Woher nehmen? Verkehrsexperten plädieren für eine Mischung verschiedener Geldquellen. Eine davon sind die sogenannten Nutznießerbeträge. Die Überlegung: Besitzer von Miethäusern oder Gewerbeflächen profitieren davon, dass ihre Immobilien durch Bus und Bahn erreichbar sind. Das Gleiche gilt für Unternehmen, deren Mitarbeiter per öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) anreisen. Dem Verkehrsexperten und Politikwissenschaftler Hendrick Sander zufolge von der Bauhaus-Universität Weimar könnten so zum Beispiel in Berlin mehrere hundert Millionen Euro zusammen kommen.
Wien und Portland
In einigen Städten im Ausland ist dieses Modell schon Praxis. So zahlen in Portland, Oregon, Unternehmen eine Nahverkehrsabgabe, die über die Hälfte der Kosten deckt. Wien führte bereits 1970 eine Abgabe ein, die heute zwei Euro pro Mitarbeiter und Woche beträgt. Zusätzlich leitet die österreichische Hauptstadt die hohen Parkgebühren in die Bezuschussung von Bahn- und Busverkehr um. Dank der so erzielten Einnahmen können die Wiener Linien schon seit fast zehn Jahren die Mehrkosten für ihr 365-Tages-Ticket finanzieren.
Vielerorts kämpfen Bürgerinitiativen für das sogenannte Bürgerticket. Ähnlich wie bei der Rundfunkgebühr müssen alle Einwohner dafür eine Abgabe zahlen – ganz gleich, ob sie Bus und Bahn nutzen oder nicht. Beispiele existieren noch nicht. Allerdings könnte Bremen die erste Stadt werden, in der das Modell verwirklicht wird. In Kombination mit einer Mobilitätsabgabe der Grundbesitzer könnte die monatliche Belastung für die Bremer Bürger weniger als 20 Euro betragen. Der SPD-geführte Senat scheint für diese Überlegung offen zu sein.
Weitere Geldquellen bietet die Citymaut. Bekanntestes Beispiel ist London. Dort zahlen Einpendler in große Teile des Stadtgebietes umgerechnet 15 Euro. Heute sind Maut-Regelungen in vielen Städten verbreitet, darunter Stockholm, Oslo, Mailand oder Bologna. In fast allen Städten tobte anfangs die Autofahrer-Lobby. Den gut organsierten Kfz-Initiativen gelang es oft, die Einführung der Maut aufzuhalten oder durch Volksabstimmungen zu verhindern. Doch in den Städten, in denen es gelang die Maut durchzusetzen, waren die Bürger schon nach wenigen Jahren froh über den verminderten Verkehr. Typisch ist das Beispiel Stockholm. Als die Maut vor 15 Jahren eingeführt wurde, war sie extrem unbeliebt. Heute plädieren zwei Drittel der Stockholmer Bürger für die Beibehaltung.
Streit um die Maut in Berlin
Zurzeit durchleidet Berlin einen Mautkrieg. Eine Bürgerinitiative will bis 2023 per Volksentscheid die Citymaut für Autofahrer durchsetzen. Damit würde auch Geld für Busse und Bahnen eingenommen. Eine Studie im Auftrages des Senats hatte schon im vergangenen Jahr die möglichen Einnahmen durchgerechnet. Eine Citymaut würde bei einer Einfahrtsgebühr von acht Euro jedes Jahr bis zu 800 Millionen Euro in die Kasse bringen. Wenn zusätzlich die Gebühren für Gelegenheitsparker auf drei bis vier Euro pro Stunde und für das Anwohnerparken auf 240 Euro im Jahr angehoben würden, kämen maximal weitere 500 Millionen Euro zusammen. Die Summe der beiden Maßnahmen entspräche etwa dem Jahresumsatz der Berliner Verkehrsbetriebe BVG zu Vor-Corona-Zeiten.
Allerdings ist die SPD, die in der zu erwartenden Senatskoalition Berlins führend ist, strikt gegen die Pläne. Die linken und grünen Fast-Regierungspartner sind dafür. In einem SPD-Papier heißt es: „Mobilität ist kein Reichenrecht“. Doch Grüne und Linke wollen nicht aufgeben. Was auch immer der Koalitionsvertrag zur Verkehrspolitik vorsieht, er muss von den drei Landesparteien im Dezember noch bestätigt werden. Ärger ist zu erwarten.
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