Das Bundesverfassungsgericht hat die lahme Klimaschutzpolitik der Bundesregierung für verfassungswidrig erklärt. Daran kommt künftig kein Politiker mehr vorbei. Die wichtigsten Konsequenzen aus dem epochalen Urteil.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bundesregierung nicht nur bis 2030 festlegen darf, wie sie die für 2050 festgelegten Ziele aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 erreichen will. Denn dadurch würde die künftige Generation danach, so das Gericht, verfassungswidrig in ihren Freiheiten eingeschränkt. Was bedeutet das für die Politiker und die Klimaschützer?
Die Bundesregierung muss sehr schnell einen Klimaschutzplan bis 2050 aufstellen.
Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass die Bundesregierung mit ihrer Politik das Risiko „schwerwiegender Freiheitseinbußen“ für die Bevölkerung von 2030 verschärfe. Das liegt daran, dass der aktuelle Plan zur Minderung des CO2-Ausstoßes zu lax ist. Denn durch ihn produziert Deutschland bis zu 2030 so viel CO, dass in der Zeit danach die in Paris zugesagte Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad nur noch mit extremen Maßnahmen zu erreichen wäre. Diese Maßnahmen könnten die Menschen in ihren Freiheiten in allen Lebenslagen in einer Weise einschränken, die nicht vom Grundgesetz gedeckt ist. Deshalb muss die Bunderegierung schon jetzt dafür sorgen, dass dies nicht geschieht, und konkret sagen, wie sie das machen will.
Die Bundesregierung muss ausdrücklich die künftige Generation schützen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung zu schnellerem Handeln in der Klimafrage verdonnert. Begründet hat es dies mit Artikel 20 des Grundgesetzes. In diesem heißt es: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Dem Tenor des Urteils ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung die dazu erforderlichen “Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität“ nicht getroffen hat.
Die Sintflut nach 2030 ist verboten
Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung ausdrücklich verboten, bis 2030 den CO2-Ausstoß nur mäßig zu reduzieren und dadurch einen großen Teil des bis 2050 geplanten CO2-Budgets bereits in diesem Zeitraum in die Luft zu blasen. In den Worten der Richter heißt dies, die Bundesregierung darf der jetzigen Generation nicht erlauben, „unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“
Klare Vorgabe für künftige Bundesregierung und neuen Bundestag
Das Verfassungsgericht verdonnert mit dem Urteil den Bundestag, bis Ende 2022 Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume ab 2031 näher regeln. Es sei unerlässlich, dass weitere Vorgaben für die Reduktion des Klimagas-Ausstoßes rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt werden. Damit die Menschen sich konkret orientieren können, müsste jährliche Emissionsmengen sowie Maßnahmen zu deren Reduktion differenziert festgelegt werden. Das, so der Tenor, sorge sowohl für Planungssicherheit als auch für Druck auf Entwicklung und Innovation.
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
Für die Kläger – von der Klimaschutzbewegung “Fridays for future” über die Deutsche Umwelthilfe bis zu zahlreichen Privatpersonen – ist das Urteil eine Ermunterung, in ihren Bestrebungen fortzfahren. Denn es bestätigt den Spontispruch der 1968er Studentenrevolte: “Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.” Und es holt sie aus der Ecke der Angstbesessenen und Romantiker, in die Rechte und konservative Ideologen wie der Medienphilosoph Norbert Bolz sie immer wieder zu stellen versuchen.
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