Leitungswasser enthält oft mehr Mineralien als Mineralwasser. Und es ist mindestens so sauber wie Mineralwasser aus der Flasche. Seine Ökobilanz ist sechshundertmal besser als die von Mineralwasser.
Ungefährliches Leitungswasser ist – global gesehen – keine Selbstverständlichkeit. In vielen Schwellenländern wie Indien, Ägypten, China oder Mexiko kann der Genuss von Wasser aus dem Hahn gesundheitsschädlich sein. Laut Weltgesundheitsorganisation sind 80 Prozent aller Reiseerkrankungen auf verunreinigtes Trinkwasser zurückzuführen. In Deutschland ist Leitungswasser hingegen seit Langem ungefährlich – zumindest in der Qualität, wie es die Wasserwerke bis zur Wasseruhr anliefern. Das gilt ebenso für fast sämtliche EU-Länder. Die Vorstellung, im Süden Europas sollten die Durstigen Vorsicht walten lassen, ist veraltet: Im Leitungswasser-Ranking der amerikanischen Spitzenuniversiät Yale rangieren Italien und Griechenland – hygienisch gesehen – vor Norwegen oder Schweden.
Dennoch geben viele Konsumenten viel Geld für Mineralwasser aus. In etlichen Ländern mögen Geschmacksfragen den Ausschlag geben. In den USA zum Beispiel ist das Leitungswasser zwar in der Regel unbedenklich, aber stark mit Chlor versetzt. Gechlortes Trinkwasser gilt zwar laut Weltgesundheitsorganisation bis zu einer Konzentration von fünf Milligramm pro Liter als unschädlich. Schwangere Frauen und stillende Mütter sollten jedoch gechlortes Leitungswasser nicht dauerhaft trinken.
Die gängisten Vorurteile über Leitungswasser
Viele Verbraucher verschmähen das Leitungswasser, weil sich etliche Vorurteile trotz aller Aufklärung eisern halten. Sehen wir uns die populärsten Mythen an.
- Mineralwasser ist sauberer als Leitungswasser. Stimmt nicht! In Deutschland sind die Kontrollen für Leitungswasser strenger als die für Mineralwasser. Die Grenzwerte sorgen dafür, dass keine Keime oder schädlichen Stoffe im Wasser enthalten sind. Übrigens: Eine Untersuchung der Stiftung Warentest ergab, dass 9 von 32 geprüften Mineralwässern Rückstände wie Süßstoffe oder Abbauprodukte von Pestiziden und Waschmitteln enthielten. Die in den Medien vielfach zu findende Warnung vor Bisphenol A in recycelten PET-Flaschen ist jedoch nach Ansicht von Fachleuten übertrieben.
- Leitungswasser enthält keine Mineralien. Stimmt nicht! Wasser aus dem Hahn liefert alle wichtigen Mineralien, die Menschen brauchen. Und das in vergleichbarer Menge wie Mineralwasser. Darüber hinaus gilt: Menschen wie Tiere beziehen den größeren Teil der Mineralien aus der Nahrung, nicht aus dem Wasser.
- Kalkhaltiges Wasser ist ungesund. Unsinn! Kalk kommt in Leitungswasser oft mit Magnesiumcarbonat vor. Diese Mineralien sind für den Körper nützlich. Neuere Studien vermuten einen Zussammenhang zwischen der Wasserhärte und einem verminderten Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Stark kalkhaltiges, so genanntes hartes Wasser schmeckt darüber hinaus den meisten Menschen besser als weiches Wasser.
- Auch Leitungswasser enthält Rückstände von Medikamenten und Chemikalien. Stimmt! Allerdings nur in geringen Mengen – weit unterhalb der gesundheitskritischen Schwelle.
Verunreinigungen sind hausgemacht
- Leitungswasser kann Blei enthalten. Stimmt! Zwar gibt es keine Bleirohre im öffentlichen Versorgungsnetz. Aber alte Gebäude verfügen (selten) noch über Bleirohre. Vor allem in Ostdeutschland finden sich noch bleiverrohrte Gebäude – allerdings zunehmend seltener. Die örtlichen Gesundheitsämter überprüfen auf Anfrage das Wasser auf Blei. Vermieter müssen Bleiverrohrungen austauschen.
- Leitungswasser kann Legionellen enthalten. Ja! Aber auch diese kommen nicht durch das öffentliche Netz in die häuslichen Wasserrohre. Wie das Blei im Wasser sind sie hausgemacht. Nach wochenlanger Abwesenheit können sich die Legionellen-Bakterien im stehenden Wasser vermehren. Auch Totleitungen, in denen das Wasser steht, bilden Gefahrenquellen. Legionellen übertragen sich jedoch selten durchs Trinken, sondern meist durch das Einatmen des Wasserdampfes beim Duschen. Moderne Umlaufsysteme töten Legonellen ab, indem sie das Warmwasser regelmäßig auf über 60 Grad erhitzen. Lassen Sie nach dem Urlaub alle Wasserquellen ein paar Minuten laufen.
- Leitungswasser enthält zu viel Kupfer. Stimmt nur selten! Vorsicht ist jedoch bei Kupferrorhren in Neubauten geboten. Denn neue Rohre geben in den ersten Monaten erhöhte Mengen Kupfer in das Wasser. Allerdings ist Kupfer nicht giftig. Erwachsene Menschen brauchen sogar bis zu zwei Milligramm des Metalls täglich. Eine langfristige Einnahme von mehr als fünf Milligramm pro Tag führt jedoch selbst bei Erwachsenen zu Gesundheitsschäden. Für Babys reichen bereits 0,2 bis 0,6 Milligramm, denn die Funktion der Nieren ist noch nicht voll ausgebildet. Die nachgewiesenen Vergiftungsfälle von Babys standen in Deutschland ausnahmslos in Zusammenhang mit der Aufnahme von Wasser aus privaten Brunnen.
- Steht das Wasser zu lange in den Rohren, reichern sich Schadstoffe an. Stimmt! Meist reicht es allerdings, die Hähne kurz zu öffnen. Moderne Systeme sind so ausgelegt, dass die Rohre zwischen Wasseruhr und Hahn nicht mehr als drei Liter Wasser enthalten. Sparsame Naturen verwenden das abgestandene Wasser zum Blumengießen.
Gefahr aus Filtern
- Wasserfilter verbessern die Qualität. Stimmt nicht! Sie sind in der Regel unnötig. In schlecht gewarteten Filtern können sich Keime vermehren. Oder die ausgefilterten Stoffe können sich wieder freisetzen. Viele Filter entfernen auch nützliche Mineralien aus dem Wasser.
- Babys brauchen abgekochtes Wasser. Stimmt meist nicht! Denn die Wasserqualität am Übergabepunkt ist hinreichend, um beispielsweise Anfangsmilch anzumischen. Allerdings sind anhaftende Bakterien am Hahn nie auszuschließen. Daher kochen vorsichtige Eltern in den ersten Lebenswochen das Wasser ab.
Transporte quer durch Europa
Ein großer Vorteil von Leitungswasser: Es ist billig. Ein Liter Wasser aus dem Hahn kostet im Schnitt 0,26 Cent. Selbst supergünstiges Mineralwasser aus Plastikflaschen ist beim Discounter etwa siebzigmal teurer. Markenwasser aus Glasflaschen kostet den Verbraucher das Zweihundert- bis Vierhundertfache. Eine vierköpfige Familie, die Leitungswasser statt Mineralwasser aus Glasflaschen trinkt, spart jährlich zwischen 500 Euro und tausend Euro ein.
Und sie erspart sich die Schlepperei sowie den Transport vom Supermarkt. Verzichtet sie auf den Verzehr von Wasser aus Plastikflaschen, leistet sie ein Großtat für die Umwelt. Allein in Deutschland werden 16,4 Milliarden Einweg-Plastikflaschen verbraucht. Doch selbst bei der hohen Recyclingquote in Deutschland von fast 98 Prozent belastet der Flaschenverbrauch die Umwelt. Denn nur 34 Prozent der abgegebenen Pfandflaschen werden wieder zu Flaschen. Der Rest wird zu minderwertigen Plastikwaren oder geht ins Ausland. Eine geringe Menge dient sogar als Brennstoff. Hinzu kommt, dass die Flaschentransporte – manchmal quer durch Europa – und die Wiederverarbeitung jede Menge Energie verbrauchen. Laut der Verbraucherzentrale NRW ist die Klimabelastung bei Mineralwasser 600-mal höher als bei Leitungswasser.
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