Die Schizophrenie der Deutschen beim Klimaschutz

Die Schizophrenie ist offenkundig: Viele Deutsche fordern mehr Tempo beim Klimaschutz. Zugleich lehnen sie zentrale Projekte wie etwa das Verbot von Gasheizungen mehrheitlich ab. Wie erklärt sich die Diskrepanz?

Schizophrenie der Deutschen beim Klimaschutz: Mehrheit gehen neue Regelungen zum verpflichtenden Einbau von Wärmepumpen zu weit
Luft-Wärmepumpe im Einfamilienhaus Schizophrene Haltung beim Klimaschutz Bild: Pixabay

Die täglichen Bilder klimabedingter Wetterkatastrophen, Dürren und Waldbrände hinterlassen ihre Spuren im Gemüt der Deutschen. Das spiegeln die Zahlen des jüngsten ARD-Deutschlandtrends. 26 Prozent halten den Klimaschutz noch vor dem Ukraine-Krieg für das drängenste Problem; 44 Prozent kritisieren die Ampelregierung in Berlin für ihr lahmes Tempo im Kampf gegen die Erderwärmung.

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Im Zustand der Schizophrenie beim Klimaschutz

Doch ringt sich die rot-grün-gelbe Koalition unter vielen Mühen zu klimawirksamen Entscheidungen durch, stoßen diese mehrheitlich auf wenig Gegenliebe. Dass die Wärme neuer Heizungen von nächstem Jahr an zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen soll, geht 43 Prozent zu weit. Sogar 55 Prozent stemmen sich gegen das Aus für Verbrennungsmotoren von 2035 an. Dafür begeistern sich 56 Prozent für die schnellere Umsetzung von Autobahnprojekten.

Umwille zu handeln, sobald es unbequem wird

Was steckt hinter dem offensichtlichen Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, der sich beispielsweise auch bei der neu entfachten Fluglust oder dem Griff zu billiger Wegwerfmode dechiffriert? Ein Zustand der Schizophrenie? Oder der Unwille, zu handeln, sobald es unbequem wird und es an den eigenen Geldbeutel geht?

Wie sonst ist zu erklären, dass die Angst vor dem Untergang uns weder den Spaß an Fernreisen und Avocadotoast raubt, noch die Bereitschaft weckt, das Auto stehen zu lassen, auch wenn der Weg zur Arbeit mit dem Bus nur 20 Minuten länger dauert?

Gefangen im Gestrüpp kognitiver Dissonanz

Sozialpsychologen bemühen dafür das Bild von der kognitiven Dissonanz: Wünsche, Vorhaben und Einstellungen stoßen sich, statt sich zu einem harmonischen Ganzen zu fügen. Zum Beispiel wenn der Drang zum Urlaub an fernen Stränden nicht zu der Einsicht passt, dass dies dem Planeten schadet. Viele lösen diesen inneren Konflikt mit einer persönlichen Beruhigungsstrategie.

Wenige gehen so weit, das Problem schlicht zu leugnen. Die Mehrheit der Menschen belügt sich mit einem anderen Trick und wähnt dabei auch noch die Moral auf ihrer Seite. Wenn ich öfter den Zug nehme und mich vorwiegend vegetarisch ernähre, habe ich mir den Flug nach Mallorca oder die Anschaffung eines SUV “verdient”, reden sie sich ein.

Den eigenen Beitrag zum Klimaschutz klein rechnen

“Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung”, ordnet Eva Walther, Sozialpsychologin an der Uni Trier, solche Denkmuster ein. “Aber sie helfen uns, im Alltag handlungsfähig zu bleiben.”

Beliebt ist auch die Masche, den eigenen möglichen Beitrag zur Klimarettung klein zu rechnen und erst einmal andere “größere” Sünder zum Handeln aufzufordern. Schau mal, wieviele Tonnen Treibhausgase die Chinesen und die US-Amerikaner in die Atmosphäre blasen. Und ich soll mir hier eine teure Wärmepumpe kaufen.

Zwischen Schizophrenie und Selbstbetrug

“Wir finden immer einen, der noch weniger macht,” erläutert Walther. “Das entlastet unsere Psyche, wir fühlen uns gleich besser.”

Doch es ist Selbstbetrug. Er ändert nichts an dem Fakt, dass jeder Deutsche umgerechnet pro Jahr mehr als elf Tonnen Klimagase in CO2-Äquivalenten verursacht. Um die Erderhitzung auf 1,5-Grad-Celsius zu begrenzen, sind jedem Erdenbürger jedoch nur eine Tonne erlaubt – egal ob am Nil oder am Rhein.

Große und kleine Sünder

Mit anderen Worten: Jeder steht in der Pflicht, sich Gedanken darüber zu machen, wie er seinen schädlichen Fußabdruck reduzieren kann. Wachstumskritiker wie der Ökonom Niko Paech von der Uni Siegen sind überzeugt, dass dies nur funktioniert, wenn materielle Ansprüche zurückgeschraubt werden.

Solcher Verzicht fiele dem Normalbürger sicher leichter, wenn er sehen würde, dass der Gesetzgeber Großverschmutzer in der Industrie und unter den reichen Eliten mit ihren Privatjets und Luxusjachten zwingt, ihre weit überproportionale Schuld an dieser Erde voller Klimaschrecken abzutragen. Da sie zugleich die größten Profiteure des zerstörerischen Wirtschaftens sind, sollten sie die Rettung der Planeten auch finanzieren, findet daher der angesehene Club of Rome. Er wies schon in den 1970er Jahren auf die Grenzen des Wachstums hin.

“Entscheidens ist es, immer einen kleinen Schritt weiter zu gehen.”

Christian Baatz, Klimaethiker

Allerdings entlasse der Verweis auf die Hauptsünder niemanden aus der eigenen Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Sei sein Einfluss auch noch so klein, betont der Kieler Professor für Klimaethik Christian Baatz. Das Engagement könne auf vielfältige Weise geschehen: spenden, demonstrieren, Petitionen unterschreiben, wählen, die Politiker zum Handeln drängen. Vor allem aber habe es jeder in der Hand, seinen Konsum möglichst klimagerecht zu gestalten.

Jeder hat es also in der Hand, die Spaltung seiner Persönlichkeit aufzuheben. “Was man tut, um seiner moralischen Pflicht nachzukommen, liegt im Urteil des Einzelnen”, betont Baatz. Entscheidend sei aber, “immer einen kleinen Schritt weiter zu gehen”.

Mehr: tagesschau

Dieter Dürand

1 Kommentar

  1. Wegwerfkleidung – aber solche mit 5 Jahres Garantie auf die Haltbarkeit gibt es nicht – die bei Verschleiß ohne Umstände gegen einen ähnlichen Artikel umgetauscht werden könnte.Warum “mietet” der Staat nicht die Dächer und baut Solaranlagen,der Bürger bekommt Rabatt beim Strom. Wie wäre es mit Biogas aus Gülle, Klärschlamm, geschimmeltem Pflanzen wie Stroh , oder Kulturen voller Schädlinge was dann alles zusammen zu Bio- Gas vergoren wird und ins Erdgas gemischt wird. Wärmepumpe bis das Grundwasser gefriert ? Magnetschwebebahn könnte Flugreisen zum Großteil ersetzen.

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