Einführung des 9-Euro-Tickets war ein Fehler

Während die Diskussion über die Fortführung des 9-Euro-Tickets entbrennt, wächst gleichzeitig die Fundamentalkritik an der Einführung der spottbilligen Nahverkehrsfahrkarte.

Andrang auf S-und Regionalbahnen: Das Problem sind zu wenig Gleise und Züge (Foto: Peggy und

Einen “fulminanten Erfolg” nannte Verkehrsminister Volk Wissing die Einführung des 9-Euro-Tickets für den Regionalverkehr nach rund sechs Wochen. Für ihn ist die spottbillige Möglichkeit, Bus und Bahn zu benutzen, ein Beweis dafür, dass der “Tarifdschungel” abgeschafft werden müsse. Punkt, aus. Ansonsten seien die Bundesländer in der Verantwortung zu entscheiden, wie es nach dem Auslaufen des Angebots Ende August weiter gehe. Dazu enthält der Liberale jetzt massiv Widerspruch. Für Claas Tatje, Mitautor des Buches Tschusing Deutsche Bahn today steht fest: “Das 9-Euro-Ticket war ein Fehler.” Die Bahn habe kein Nachfrageproblem, sondern ein Angebotsproblem”. Ursache der bisher fehlenden Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs und des jetzt zutage tretenden Dauerchaos’ auf der Schiene sei die jahrzehntelange Vernachlässigung der Infrastruktur. Die Lösung sei “eigentlich einfach: mehr Züge und mehr Gleise”.

Infrastruktur systematisch vernachlässigt

Mit seiner Fundamentalkritik steht der Bahn-Experte nicht allein. Auch die Deutsche Umwelt-Hilfe sieht im Hauptproblem des hiesigen Nachverkehrs das schlechte Angebot, insbesondere auch im ländlichen Raum, und fordert ein Milliarden-Investitionsprogramm in die Infrastruktur. Tatsächlich zeigen sich dort jetzt die Spätwirkungen der Unternehmensführung unter Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, der im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts die Bahn an die Börse führen wollte und Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigte. Problem bei der Bahn: Sie muss Investitionen ihn ihren Fahrweg, anders als etwa die Autofahrer, zur Hälfte direkt selbst bezahlen, die anderen 50 Prozent übernimmt der Staat. Das verführt zum Sparen zu Lasten des Staates, der – erst recht in Zeiten eines Finanz- und eines Verkehrsministers von der FDP – öffentliche Ausgaben lieber herunter fährt.

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Erwartbare Ergebnisse

Obwohl sich schon jetzt zeigt, dass das 9-Euro-Ticket vielfach nur als Verbilligung bisheriger Bahnfahrten, als Möglichkeit für zusätzliche Trips und als Geschenk für großstädtisches Publikum wahrgenommen wurde, will Verkehrsminister Wissing es nach dem Auslaufen erst einmal “evaluieren”, also wissenschafltich untersuchen und bewerten lassen. Zu den Ergebnissen solcher Untersuchungen wusste der einstige Soziologie-Professor Peter von Oertzen (1924-2008) einmal in kleiner Runde zu sagen: “95 Prozent der Erkenntnisse der Sozialwissenschaften sind nichts anderes als Überhöhungen von Alltagserfahrungen.”

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