Norwegischer Megaspeicher für Deutschland

Die Energiewende kommt voran. Ein Seekabel versorgt Norwegen mit Windstrom aus Norddeutschland – bei Flaute fließt Energie aus dortiger Wasserkraft zurück. Europas grüne Strommärkte rücken zusammen und schaffen Versorgungssicherheit. Es ist erst der Anfang.

Symbolische Start der Stromtrasse zwischen Norwegen und Deutschland Efizienter Austausch von Ökostrom-Ressourcen Foto: Tennet

Wenn gleich zwei Regierungschefinnen, zwei Energieminister, ein Ministerpräsident und zwei Vorstandschefs in einer virtuellen Schalte auf einen roten Knopf drücken, muss Großes im Gange sein. Tatsächlich tauschen Norwegen und Deutschland schon seit März über die Gleichstrom-Autobahn Nordlink Ökostrom aus. Doch der symbolische Akt bringt Bewegung in den Aufbau eines europäischen Stromverbunds. Er ist Voraussetzung für die sichere und wirtschaftliche Versorgung des alten Kontinents mit grüner Energie, Da darf ein wenig Auftrieb schon mal sein.

Schluss mit purer Verschwendung

Das gemeinsame Seekabel der Netzbetreiber Tennet und Statnett führt die Vorteile exemplarisch vor Augen. In der Vergangenheit waren Windradbetreiber in Schleswig-Holstein bei anhaltender steifer Brise wegen Überlastung der Übertragungsnetze immer wieder mal gezwungen, ihre Anlagen abzuschalten. Hieß: Trotz bester Wetterbedingungen kein Strom, keine Einnahmen – pure Verschwendung sozusagen.

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Nun können sie die Megawatt in solchen Stunden nach Norwegen verkaufen, das mit dem Überschusstrom seine Pumpspeicher füllen kann. Mangelt es im deutschen Netz an Strom, weil kein Lüftchen über das platte Land pfeift, schließt Norwegen die Lücke mit grünem Strom aus Wasserkraft.

Strombrücke gegen den Blackout

„Die direkte Strombrücke trägt zur Stabilisierung der Preise für erneuerbare Energie bei”, lobt Kanzlerin Angela Merkel das Projekt. Vor allem aber nimmt es Kritikern den Wind aus den Segeln, die Wind und Sonne wegen ihrer unsteten Verfügbarkeit als Risiko für eine zuverlässige Stromversorgung darstellen – bis hin zum Blackout.

Knochen- und Millimeterarbeit Arbeiter bei der Verlegung des Seekabels Foto: Tennet

Mit dem 623 Kilometer langen Seekabel, dessen Verlegung (siehe auch Video) mitsamt dem Bau neuer Konverterstationen in Wilster und Tonstad 1,8 Milliarden Euro kostete, steht nun für den Notfall eine Art Mega-Batterie in Reserve. 1400 Megawatt (MW), das entspricht etwa der Leistung eines großen Atomkraftwerks, kann sie aus norwegischen Wasserkraftwerken ad hoc nach Deutschland transportieren – genug, um 3,6 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen.

Hochleistungsverbund für Ökostrom

Für Tennet-Chefin Manon van Beek ist Nordlink nur ein erster Baustein. Mit anderen Netzbetreibern will sie bis 2035 die Nordsee-Anrainer Deutschland, Dänemark, Norwegen, Großbritannien und die Niederlande über leistungsstarke Seekabel und Verteilkreuze miteinander verbinden. Auch zukünftige Meereswindparks sollen an die Stromschnellstraßen angeschlossen werden.

In den Hochleistungsverbund einklinken würde sich auch die künstliche Energieinsel, die Dänemark für 28 Milliarden Euro 80 Kilometer vor Jütland als Energie-Knotenpunkt bauen will. Die Station wird für 12 000 MW Windstrom ausgelegt. Das entspricht in etwa der Leistung von 12 mittelgroßen Kernkraftwerken.

Widerstand von Bürgerinitiativen

Während die skandinavischen Staaten zügig loslegen, stockt der Ausbau der grünen Energiezukunft hierzulande an vielen Stellen. Wegen Engpässen im Netz bestehen zum Beispiel Probleme, die großen Mengen Windenergie aus dem Norden in die industriellen Zentren im Süden des Landes zu verteilen. Die Errichtung der dafür notwendigen leistungsfähigen Stromtrassen zieht sich hin – auch weil an vielen Orten Bürgerinitiativen hinhaltend Widerstand leisten. Bei Nordlink dagegen erhoben selbst Umweltschutzverbände keine Einwände. Selbst nicht dagegen, dass das Kabel durch das Watt und den Nationalpark Nordsee führt.

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