Schwimmende Windturbinen auf hoher See markieren die dritte Revolution

Ein Jahr nach Fertigstellung des ersten Windparks mit Halbtaucher-Plattformen investieren die Energieriesen zunehmend in die neue Technik. Werden wir bald von schwimmenden Windparks in tiefen Gewässern mit Strom versorgt?

Sturmtest in der Ostsee Schwimmende Windräder erschließen Energie auf hoher See (Foto: EnBW/Jan Oelker/aerodyn)

Im den vergangenen zwölf Monaten hat der Windpark 75 Gigawattstunden produziert. Etwa 25 000 Haushalte konnten die 20 Kilometer vor der nordportugiesischen Küste gelegenen Windanlagen so versorgen. Das erzeugte Energievolumen übertrifft deutlich die Erwartungen. Größere Zwischenfälle oder Unterbrechungen gab es nicht. Windfloat Atlantic, so der Name des Parks, wird von Windplus, einem Konsortium vor allem aus iberischen und französischen Energiekonzernen, betrieben.

Mit Windfloat Atlantic betraten die Investoren technisches Neuland. Denn die Windräder sind nicht wie gewohnt fest verankert, sondern stehen auf frei schwimmenden Plattformen. Für eine feste Verankerung ist das Meer am Standort zu tief. Der 25,2 Megawatt-Windpark befinden sich etwa hundert Meter über dem Meeresboden. Die Schwimmkörper, sogenannte Halbtaucher, befinden sich fast ganz unter Wasser und sind mit mehreren Ketten am Meeresboden verankert. Die semi-submersiblen Plattformen gelten als ausgesprochen stabil. Ein 2-Megawatt-Prototyp hatte unweit des aktuellen Windfloat-Standortes zuvor fünf Jahre Strom ohne Störungen produziert.

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Sturmfeste Anlage

Auch 17 Meter hohe Wellen und Stürme mit Geschwindigkeiten von bis zu 110 Stundenkilometern hatten dem Windrad nichts abhaben können. Ermöglicht wird die Stabilität durch Tanks, die sich blitzschnell fluten und leerpumpen lassen. Zusätzliches Plus: Statt teurer Spezialschiffe transportieren Standartschlepper die Schwimmer, nachdem sie an Land montiert wurden.

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Windfloat-Montage Sturmfeste Plattformen erschließen die hohe See für die Windkraft (ASM Industries)

Tatsächlich ist das Projekt Teil eines bedeutenden technologischen Sprungs. Denn 80 Prozent der weltweiten Windressourcen liegen über Gewässern, die über 60 Meter tief sind. Dort, in der Regel weit weg von der Küste, weht der Wind besonders kräftig und zuverlässig. Geht der Wind auf dem deutschen Festland im Durchschnitt jährlich rund 1800 Stunden, so kommen vor den Küsten in der Regel 3200 Stunden zusammen. Doch weiter draußen auf dem Meer gibt es sogar bis zu 5000 Windstunden.

Neue Etappe für die Windkraft

Die frei schwimmende Hochsee-Windkraft markiert die dritte Etappe der Windkrafttechnik. Die erste Etappe war durch den Ausbau der Windkraft zu Land geprägt, die zweite durch die Entwicklung der Offshore-Windkraft mit festgegründeten Anlagen. Doch die Zukunft gehört den schwimmenden Windturbinen. Bis 2030 könnten laut Global Offshore Report 2020 schwimmende Windräder mit 6,2 Gigawatt Leistung installiert sein. Das ist dreimal so viel wie die gesamte dänische Offshore-Kapazität. Langfristig könnte die Schwimmtechnik die herkömmliche Offshore-Technik gar überholen.

Viele große Projekte

Zurzeit erlebt die Windbranche den Übergang von der Versuchsphase zur Marktanwendung.

  • Kurz nach Windfloat Atlantic wurde vor der schottischen Küste die Kincardine Offshore Windfarm fertig. Sie soll doppelt so viel Strom liefern wie der portugiesische Park.
  • Der deutsche Versorger RWE testet aktuell mit drei Partnern eine schwimmende 3,6 Megawatt-Turbine mit 3,6 Megawatt Leistung vor der norwegischen Küste. Am Standort der TetraSpar getauften Anlage beträgt die Wassertiefe 200 Meter. Die Spar-Technik findet besonders in großen Meerestiefen Anwendung, weil die zylindrischen Schwimmkörper bis zu hundert Meter tief vertikal im Wasser schwimmen. Die Technik ist für Meerestiefen bis zu 800 Metern geeignet.
  • Auf der Spar-Plattform-Technik basiert auch der bereits arbeitende Hywind-Park mit einer Kapazität von 30 Megawatt etwa 25 Kilometer vor der schottischen Küste.
  • Im kommenden Jahr soll Hywind Tampen bis zu 88 Megawatt Strom liefern. Die Anlagen stehen 140 Kilometer vor Norwegens Küste. Die Wassertiefe beträgt dort bis zu 300 Meter.
  • In Frankreich gehen vor der Küste der bretonischen Inseln Groix und Belle-Île zwei gigantische Projekte an den Start. Das erste soll frühestens im kommenden Jahr fertig werden und bietet eine Kapazität von 250 Megawatt. Das zweite soll sogar 500 Megawatt liefern. Allerdings ist das Vorhaben erst in der Planung.
  • Zwei weitere Parks sind im französischen Mittelmeer mit je 30 Megawatt für das Jahr 2023 geplant.
  • Spanien will bis 2026 vor der katalonischen Küste 30 bis 40 schwimmende Windanlagen mit einer Spitzenleistung von 500 Megawatt errichten.

Auch außerhalb Europas sind dutzende schwimmende Windparks in Planung oder schon im Bau. Bis 2040 will allein Kalifornien 10 000 Megawatt vor seiner Küste installieren. Zehn Jahre später könnten weltweit dann, so der Windenergie-Zertifizierer DNV GL, Anlagen mit einer Kapazität von 250 Gigawatt auf den Weltmeeren schwimmen.

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