(Fast) ganz Deutschland neidisch: Aus für E-Scooter in Paris

Blinde stolpern über sie. Ihre Fahrer nutzen rücksichtslos Fußgängerwege. Und Umweltschurken entsorgen sie in Flüsse und Teiche. E-Scooter sind zu einer Plage der Großstädte geworden. Das Volk von Paris hat jetzt die Reißleine gezogen.

Umweltsünde nicht nur in Paris E-Scooter werden in Köln aus dem Rhein geborgen (Foto: www.ceus-design.de)
Umweltsünde nicht nur in Paris E-Scooter werden in Köln aus dem Rhein geborgen (Foto: www.ceus-design.de)

Schluss jetzt! Weg damit! Das Volk von Paris hat gesprochen! Ab dem 1. September wird Frankreichs Hauptstadt frei von Miet-E-Scootern sein. Bis dahin laufen noch die gültigen Verträge mit den drei Betreibern (Lime, Tier, Dott) aus. Privatleute dürfen weiter mit eigenen Elektrorollern, in Paris trottinettes électriques genannt, über die Boulevards und durch die Gassen von Paris sausen.

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Klarer geht’s nur noch im Verteidigungsausschuss von Nordkorea: 89 Prozent der Pariser, die an der Abstimmung teilnahmen, stimmten für die Verbannung der Mietroller. Da sich die Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Vorfeld an das Ergebnis der Befragung gebunden hatte, wird das Begehren eins zu eins umgesetzt. Die Pariser Bügermeisterin, die aus ihrer ablehnenden Haltung gegen die trottinettes nie Hehl gemacht hatte, war dann doch über das eindeutige Ergebnis “erstaunt”. Wermutstropfen: Ganze 7,5 Prozent der Stimmberechtigten hatten teilgenommen. Dennoch feierte Hildalgo den Urnengang als “guten Tag für die Demokratie”. Mehr als 100 000 Wähler seien in einer Zeit, in der es der Demokratie nicht gut gehe, sehr ermutigend.

Ärger in Paris

Die verbannten Rollervermieter hatten in den Wochen vor der Abstimmung noch versucht, die Stimmung zu drehen. Doch auch teure Werbekampagnen, die Einbeziehung junger Influenzer in sozialen Netzwerken oder ein E-Scooter-Rennen noch am Abstimmungstag half ihnen nicht. Die Bevölkerung hatte sich zu oft über die trottinettes geärgert. Allein im Jahr 2022 waren die E-Roller an 408 Unfällen, davon drei tödliche, beteiligt. Die Zahl der passiven Unfälle mit einem der insgesamt 15 000 Mietvehikel, bei denen Fußgänger über liegen gelassene Fahrzeuge fielen, ist ebenso wenig erfasst, wie die der von Elektrorollern angefahrenen Fußgänger.

Entsorgung in die Seine

Unbekannt ist auch die Anzahl der Fahrzeuge, die von Nutzern in die Seine entsorgt werden. Da die Umweltsünder und Unfallverursacher nur selten zurückverfolgt werden können, sind die E-Vehikel für diese Gruppe geradezu eine Einladung zu Regelverletzungen. Die Stadtverwaltung von Paris hatte sich seit der Einführung im Jahre 2018 immer wieder an den exorbitaten Mietpreisen, der fragwürdigen CO2-Bilanz, den häufigen Verkehrsverstößen und der Gefährlichkeit der Maschinen Anstoß genommen. Auch der Datenklau zu Lasten der Nutzer war kritisiert worden.

Vor allem die durch die E-Roller provozierte Wegwerfmentalität prangerten Hidalgo und ihre Mannschaft an. Die Vehikel seien keineswegs ökologisch. Zumindest gelte dies, wenn man die kurze Lebensdauer mit in Betracht ziehe, hatte der Pariser Beigeordnete für Ökologie und Verkehr, David Beliard, inkriminiert. Nicht nur in Paris gehen die Nutzer oft sehr unsanft mit den Vehikeln um. Vandalen zerstören häufig Fahrzeuge oder werfen sie in Gewässer. In Köln zum Beispiel hatten Taucher Ende 2021 über hundert E-Scooter aus dem Rhein geborgen. Die Mietfirmen hatten sich nur zögerlich an den Kosten beteiligt.

Neid auf Paris

In Deutschland hat sich noch keine Stadt dazu aufringen können, die Scooter zu verbieten. Viele Bürger sind aber der Meinung, dass die E-Roller wie die Leihräder, die überall in den Städten herumstehen, verboten werden sollten. Eine Umfrage des Nachrichtenportals von T-Online und des Meinungsforschers Civey für Berlin ergab eine Zustimmung von 74 Prozent für ein Verbot. Die Kommentare im Netz und in Zeitungen sind voll Bewunderung für die Entscheidung der Pariser Stadtmütter und -väter.

Im Grunde umweltfreundlich

Doch viele Umweltschützer und Politiker kritisieren die Entscheidung. Sie erinnern daran, dass die E-Scooter-Mobilität vor allem als Mietmodell Ressourcen einspart und – richtig eingesetzt – die Umwelt nur wenig belastet. Das bestätigte auch eine Fraunhofer-Studie Ende vergangenen Jahres.

Clément Beaune, beigeordneter Minister für Verkehr der französichen Regierung, hatte nur fünf Tage vor der Abstimmung in Paris, einen frankreichweiten Plan zur Regulierung von vermieteten Elektrorollern vorgestellt. „In Zeiten des ökologischen Wandels können wir uns nicht den Luxus leisten, ganz auf dieses oder jenes Verkehrsmittel zu verzichten”, bemängelte Beaune die Pariser Abstimmung. Um den Platz des Autos im Verkehr zu verringern, könnten die trottinettes ein geeignetes Mittel sein.

Mehr: Le Monde

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