Wirtschaftsminister Robert Habeck lenkt bei der CO2-Speicherung ein. Klimaneutralität ist nach Meinung der Experten seines Ressorts ohne die umstrittene CCS-Technik nicht zu erreichen. Doch Teile der Grünen winden sich noch.
CCS – für die einen ist die Technik die Erlösung, für die anderen ein Irrweg. CCS ist das Kürzel für „Carbon dioxide Capture and Storage“. Auf gut deutsch: Kohlenstoffabscheidung und CO2-Speicherung. Große CO2-Erzeuger, wie Stahl-, Zement- oder Kraftwerke, so die Vorstellung der CCS-Verfechter, sollen den anfallenden Kohlenstoff, statt in die Atmosphäre zu blasen, auffangen und in unterirdische Kavernen verpressen. Oder sie verkaufen den Kohlenstoff als wertvollen Rohstoff an Hersteller nützlicher Dinge wie synthetische Fasern, Matratzen oder Zementzuschlagstoffe. Andere Techniken, wie die Direct Air Capture (DAS) des Schweizer Startup Climeworks, saugen Umgebungsluft an und filtern den Kohlenstoff heraus. Im Ergebnis führen diese Techniken zu Negativ-Emissionen (siehe auch Greenspotting-Beitrag vom 14. Dezember).
Für viele Öko-Aktivisten sind die Verfahren jedoch ein rotes Tuch. Sie befürchteten zum einen, dass Industrie, Verbraucher und Politik im Glauben an die Wirksamkeit der neuen Techniken darauf verzichten, Kohlenstoff-Emissionen von vorneherein zu vermeiden. Zum anderen zweifeln sie an der Wirksamkeit dieser Techniken: Unterirdische Gasspeicher könnten mit der Zeit undicht werden. Darüber hinaus berge die unterirdische Speicherung Gefahren. Im Jahr 2012 gelang es den CCS-Kritikern in Ministerien und Bundestag das „Kohlendioxid-Speicherungsgesetz“ (KSpG) so zu gestalten, dass die Technik in Deutschland keine nennenswerte Rolle spielt.
Deutscher Sonderweg
Doch inzwischen zeigt sich, dass an den Speicher- oder Nutzungsverfahren kein Weg vorbei geht. Nicht zuletzt hatte Deutschland mit dem Gesetz einen Sonderweg beschritten und sich international isoliert. In den Niederlanden beispielsweise unterstützen Öko-Organisationen wie der WWF oder Greenpeace CCS-Projekte. Führend in der Anwendung sind inzwischen ökologische Musterländer wie Norwegen, Island oder Dänemark.
Ohne Negativ-Emissionen geht es nicht. Das stellt auch der jüngst fertig gestellte Evaluierungsbericht des Bundeswirtschaftsministerium zum KSpG fest. Danach müssen spätestens bis zum Jahre 2045 jährlich bis zu 73 Millionen Tonnen Restemissionen gespeichert werden. Ein Großteil davon in ausländischen Speichern, denn Deutschland hat nicht genügend geeignete unterirdische Kavernen zur Verfügung.
Doch CO2-Export ist nach dem KSpG von 2012 verboten. Verboten ist jedoch ohnehin jeder industrielle Einsatz der Technik in größerem Maßstab. Und jedes Bundesland hat die Möglichkeit, die Anwendung gänzlich zu verbieten. Die Nordlichter Meckpomm, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben bereits diese Option gezogen.
Neue CCS-Politik
Vizekanzler Robert Habeck, als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig, muss nun die Skeptiker in seiner Partei von der notwendigen Neuausrichtung der CCS-Politik überzeugen. Der Bericht seiner Experten zur Überprüfung des KSpGs lässt keinen Zweifel daran, dass das Gesetz gründlich überarbeitet werden muss. Denn selbst wenn alle theoretischen Möglichkeiten der CO2-Vermeidung genutzt würden, blieben in Deutschland mindestens 43 Millionen Tonnen unvermeidbaren Emissionen aus der Stahl- und Zementerzeugung, sowie der Chemie-Industrie. Diese machen aber nur etwa fünf Prozent der gesamten Kohlenstoff-Emissionen aus. Die Koalitionsvereinbarungen von SPD, Grünen und FDP bekennen sich zwar zur Unumgänglichkeit des Einsatzes von Techniken zur Negativemission – allerdings nur für die unvermeidbaren Ausstöße. Und den Begriff CCS hatten die Ampelparteien tunlichst vermieden.
FDP-Vertreter fordern inzwischen, die CCS-Techniken nicht nur bei den unvermeidbaren Ausstößen einzusetzen. Sie wollen die Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung auch bei Kraftwerken einsetzen. Die CDU als größte Oppositionspartei im Bundestag kann sich Treibhausgas-Neutralität ohne CCS ohnehin nicht vorstellen.
Ablehnungsfront bei den Grünen bröckelt
Doch selbst bei den Grünen bröckelt die Ablehnungsfront – zumindest bei den Realos an der Spitze und in der Fraktion. So hatte die Parteivorsitzende Ricarda Lang im Sommer mehrere Tage in Norwegen verbracht – nur um sich über CCS zu informieren. Norwegen gilt als Pionierland der Techniken zur Negativ-Emission. Lang hatte den Norwegen-Besuch geradezu inszeniert. Bilder mit Malocher-Helm auf Instagram gehörten dazu. „Spannende Einblicke“ habe sie in die neue Technik erhalten. Dieter Janecek, wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, war noch einen Schritt weiter gegangen. CCS, so sein Kommentar zu dem Besuch, könne unter bestimmten Umständen „einen echten Beitrag zum Klimaschutz leisten“. Ob die grüne Basis den Überlegungen folgen wird, bleibt jedoch fraglich.
Mehr: Handelsblatt Business Insider
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