Giftige PFAS-Chemikalien belasten schon mehr als 1500 Orte

Die Konzentration giftiger PFAS-Chemikalien in Lebensmitteln und Trinkwasser nimmt lebensbedrohliche Ausmaße an. Was jetzt zu tun ist.

Giftige PFAS-Chemikalien stecken auch in Regenjacken und Gummistiefeln wie bei diesem Jungen an einem Strand
Wetterschutz mit toxischer Nebenwirkung Giftige PFAS-Chemikalien halten Regen ab, aber belasten die Umwelt massiv
Bild: Anja auf Pixabay

Die Gefahr, die von den industriell hergestellten giftigen Fluor-Chemikalien ausgeht, wächst Jahr für Jahr. Die PFAS stehen im Verdacht, Krebserkrankungen auszulösen, das Immunsystem vor allem von KIndern zu schwächen und unfruchtbar zu machen. Dennoch blieb ein öffentlicher Aufschrei bisher aus. Auch wenn die PFAS inzwischen in Lebensmitteln und dem Trinkwasser nachweisbar sind. Das Desinteresse könnte daran liegen, dass die extrem langlebigen Kettenmoleküle, die natürlicherweise nicht vorkommen, weder zu riechen, noch zu schmecken oder zu sehen sind.

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Giftige PFAS-Chemikalien kontaminieren 300 Hotspots

Die Recherchen eines europäischen Medienverbunds könnte bisher Gleichmütige nun aufrütteln. Dessen Befunde weisen zum Beispiel für Deutschland schon mehr als 1500 Orte mit einer bedenklich hohen Konzentration der Ewigkeits-Chemikalien nach, denen weder Sonnenlicht, Bakterien oder Wasser so schnell etwas anhaben können. Die Folge: Sie bauen sich so gut wie nicht ab. 300 besonders kontaminierte Hotspots haben die Reporter ausfindig gemacht. Beispielsweise auf Feldern in Baden-Württemberg, am Düsseldorfer Flughafen und rund um den Chemiestandort Bitterfeld in Sachsen-Anhalt.

Mehr als 10 000 Varianten fluten die Ökosysteme

Doch das Problem ist global. Forscher der Universität Stockholm fanden jüngst heraus, dass es praktisch keinen Winkel auf der Erde gibt, wo Regenwasser nicht verseucht wäre mit den synthetischen Substanzen. Mehr als 10 000 Varianten fluten mittlerweile unsere Ökosysteme. “Es wurden bereits viel mehr davon frei gesetzt als unser Planet verkraften kann”, warnen die Wissenschaftler.

Ihre Unverwüstlichkeit macht die PFAS zu beliebten Helfern in vielen Produkten. Sie verhindern, dass Steaks in damit beschichteten Pfannen ankleben, sie imprägnieren Wetterkleidung und Stiefel, sie kommen in Kühltheken, Kabelummantelungen und Löschschaum vor. Stecken sogar in Klopapier. Kurzum: Sie sind allgegenwärtig – und zudem relativ preiswert herzustellen.

“Wir können uns nicht leisten, PFAS weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen”

Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

Diese Nützlichkeit sei keine Rechtfertigung, den Planeten systematisch auf Jahrhunderte zu vergiften, findet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Zumal auf die Stoffe in vielen Fällen verzichtet werden könne. Wo nicht, stünden zumeist bezahlbare Alternativen zur Verfügung. Daher fordert BUND-Chef Olaf Bandt ein PFAS-Verbot von der EU.

Kosten der Sanierung steigen ins Unermessliche

Er stößt damit bei der Bundesregierung und vier weiteren EU-Staaten auf offene Ohren. Gegen den Widerstand der Industrie hat das Fünferbündnis jüngst vorgeschlagen, die brisanten künstlichen Moleküle nach einer Übergangsfrist “überwiegend” zu verbieten. Für Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen steht fest: “Wir können uns nicht leisten, sie weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen.”

Bei ihrem Vorstoß hat das Bündnis auch vor Augen, dass die Kosten einer Sanierung ohne Gegensteuern ins Unermessliche steigen. Eine Studie des Nordischen Ministerrates geht allein für Europa von jährlichen Aufwendungen in Höhe von 17 Milliarden Dollar aus. Noch mehr Geld verschlingt demnach die Behandlung der gesundheitlichen Folgen.

Fabriken droht die Stilllegung

Aufgeschreckt durch solche Zahlen und das giftige Ewigkeits-Potenzial gehen die Behörden inzwischen rigoroser gegen die Verursacher vor. In Belgien stoppten sie beispielsweise vergangenen April die gesamte Produktion in einem Werk des US-Konzerns 3M in der Nähe von Antwerpen.

Das weltweite Ausmaß der Verseuchung von Böden, Gewässern und der Luft durch die PFAS ist um so fataler, als diese sich kaum mehr komplett entfernen und unschädlich machen lassen. Zumindest für Sicker- und Abwasser besteht jetzt jedoch Hoffnung.

Reinigungssystem für PFAS-belastetes Sickerwasser

Die australische The Water and Carbon Group (WCG) aus Brisbane hat ein System entwickelt, das die Schadstoffe eigenen Angaben zufolge beinahe vollständig herausfischt. Angeblich chemiefrei und mit minimalem Energieaufwand. Überdies kostengünstig.

Auf einer Müllkippe im australischen Darwin bewährt sich die Technik bereits seit einigen Monaten. Annähernd 140 000 Liter Sickerwasser täglich klären die Betreiber mit dem LEEF-System. Die PFAS-Gifte können sich so nicht weiter im Grundwasser anreichern. Umgerechnet knapp 830 000 Euro ließ sich die Stadt die Rettungsaktion für die Umwelt kosten.

Mehr: BUND Tagesschau SZ WCG

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