Kernspaltung zwischen Deutschland und Frankreich

Im Streit um die Einstufung der Kernkraft als nachhaltige Energie driften die beiden Länder immer weiter auseinander. Bei der sogenannten Taxonomie geht es nicht nur um Worte. Wenn die EU-Kommission Atomenergie als nachhaltiges Investment definiert, erhalten die Betreiber von Atommeilern Zugang zu günstigen Krediten, staatlichen Bankgarantien und direkter öffentlicher Förderung. Für das Atomland Frankreich steht viel auf dem Spiel.

Atommeiler in Cattenom Nur zwölf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt (Achim Lückemeyer/Pixelio.de)

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hat dazu Klartext gesprochen: “Wir können die Taxonomie nicht ohne die Atomkraft denken.” Sie sei Teil der französischen Identität. “Wir haben über Jahrzehnte in die Kernenergie investiert.” Tatsächlich hat sich Frankreich schon zu Zeiten von Staatspräsident Charles De Gaulle der friedlichen und militärischen Nutzung der Atomtechnik verschrieben. Energetische und militärische Anwendung der Nukleartechnik gehen in unserem Nachbarland Hand in Hand. Nach der Zündung der ersten Atombombe im Jahre 1960 in Algerien wurde die Atomstreikraft zügig ausgebaut. Heute verfügt die Force de Frappe vermutlich über rund 300 Atomsprengköpfe.

Parallel dazu baute Frankreich seinen Atompark auf. Zwischen 1956 und 2002 gingen über 70 Nuklearanlagen ans Netz – die meisten zwischen 1970 und 1990. Heute stammen 71 Prozent des französischen Stroms aus der Nuklearenergie. Das soll auch so bleiben. Zwar hatte Staatspräsident Emmanuel Macron vor Jahren eine Reduzierung in Aussicht gestellt. Doch jetzt sollen neue Atomkraftwerke entstehen. Atomzentralen, so das Argument der Regierung, stießen kein Kohlendioxid aus und seien somit umweltfreundlich.

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Tatsächlich würde eine Verbannung der Atomkraft aus der Liste der förderungswürdigen Energien die Erneuerung des Atomparks enorm erschweren. Weil die meisten Kernkraftwerke Frankreichs innerhalb weniger Jahre aus dem Boden gestampft wurden, sind sie heute durchweg überaltert. Doch statt die Überalterung zum Anlass für den Ausstieg zu nehmen, träumt Frankreichs Nukleokratie davon, tausende von Mini-Mailern zu errichten. Der Grund für die Renaissance der Atomkraft dürfte im Beharrungsvermögen des atomar-industriellen Komplexes in Frankreich liegen. Ein Ausstieg à l’allemande würde zentrale finanzielle und militärische Interessen verletzen. “Ohne zivile Atomkraft keine militärische Atomkraft und ohne militärische Atomkraft keine zivile”, hatte Macron noch im vergangenen Jahr betont.

In Deutschland und in den anderen atomskeptischen Ländern wie Dänemark, Luxemburg, Portugal und Österreich lösen die französischen Atom-Vorstöße Alarm aus. Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold hat bereits 66 000 Unterschriften gegen die Einstufung der Atomkraft als “grüne” Energie gesammelt. Die Grünen befürchten, dass eine solche Einstufung ein neues atomares Zeitalter einläutet. In Berlin hatten sich die Ampelmännchen auf Druck der Öko-Partei darauf geeinigt, dass eine künftige SPD-Grünen-FDP-Koalition sich gegen die Aufnahme der Kernkraft als nachhaltige Energie einsetzt.

Grüne deutsche Steuerzahler helfen der französischen Atomwirtschaft

Die energiepolitischen Züge Deutschland und Frankreich rasen jetzt aufeinander zu. In Deutschland gilt die Atomkraft nicht nur bei den Grünen als Tabu. In Frankreich gilt sie hingegen als Garantie für die Erreichung der Klimaziele. Ob in den kommenden Tagen noch die Notbremsen gezogen und tragfähige Einigungen erzielt werden, ist fraglich. Schon Anfang Dezember will die EU-Kommission ihre Empfehlung bekannt geben. In dem – noch internen – Kommissionspapier dazu ist die Atomkraft bereits als nachhaltige Energie eingestuft. Nach der Vorlage muss die Empfehlung noch vom Rat und vom EU-Parament bestätigt werden.

Die Kommission kann jedoch den Abstimmungen gelassen entgegen sehen. Denn die überwältigende Mehrheit der EU-Länder steht in der Atomfrage auf Frankreichs Seite. Folglich werden künftig deutsche Steuerbürger wohl ihren Beitrag zur Erneuerung der französischen (und europäischen) Atomlandschaft leisten müssen. Auch Grüne!

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