Das Prinzip Schwammstadt kontert Hitze und Starkregen

Noch steckt allen der Schrecken über die Fluten in den Gliedern. Doch da die Erderwärmung nicht schnell abzubremsen ist, wächst Anpassungsstrategien an den Klimawandel zentrale Bedeutung zu. Ein Modell ist die Schwammstadt, die Wasser aufsaugen kann.

Rückhaltebecken gegen die Flut Entlastung für die Kanalisation Foto: Sieker

Die schlimmsten Verwüstungen richteten die unglaublichen Wassermassen, die über weite Teile Deutschlands in der zweiten Juliwoche niederprasselten, zwar in ländlichen Regionen und entlang plötzlich extrem anschwellender Bachläufe an. Doch ob Stadt oder Dorf: Überall muss dringend eine neues, an die häufigeren Extremwetterlagen angepasstes Regenwassermanagement her, um Leben zu schützen und die Sachschäden möglichst gering zu halten. Darin sind sich die Experten einig.

Immer noch verschwinden täglich mehr als 25 Hektar unter Straßen und Gebäuden

Erst Ende April forderte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einem Papier die Bundesregierung zu schnellem Handeln und umfassenden Investitionen in die Infrastruktur auf. Hauptgeschäftsführer Martin Weyand benannte bei der Vorstellung ein Kernproblem: “Insgesamt sind heute zu viele Flächen versiegelt”. Die Folge: Die Wassermassen schießen wie auf einer Rutschbahn in Bäche, Flüsse und Kanalisation. Diese laufen in kürzester Zeit über.

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Dennoch opfern Bund, Land und Kommunen unverdrossen täglich etwa 56 Hektar (fast 80 Fußballfelder) für Siedlungen, Straßen und Parkraum; die Hälfte der Fläche wird asphaltiert, gepflastert, verschwindet unter Gebäuden.

Ausgeklügeltes System unterirdischer Auffangbecken

Die BDEW-Experten drängen darauf, in jeder Kommune Regenwasseragenturen einzurichten, die ein ausgeklügeltes, an die örtlichen Begebenheiten angepasstes System aus Sickerschächten, Flutrinnen, Überschwemmungsflächen sowie unter- und oberirdischen Auffangbecken ausarbeiten und umsetzen. Sie würden die Auswirkungen extremen Starkregens deutlich mildern, ist Weyand überzeugt. Letztere könnten bei Hitze zudem über Verdunstung Straßenschluchten kühlen.

Berlin hat schon eine Schwammstadt

Fachleute haben dafür den Begriff der Schwammstadt (Sponge-city) geprägt, die Wasser aufsaugen – und während Hitzeperioden wieder abgeben kann (siehe Video unten). Zu den international anerkannten Vorreitern des Konzepts gehört die Ingenieurgesellschaft Sieker in Hoppegarten bei Berlin. Sie berät zum Beispiel die Berliner Wasserbetriebe (BWB), die nach mehreren Starkregenereignissen ein neues Konzept verfolgen. Bis 2024 legen sie ober- und unterirdische „Abwasserparkplätze“ mit einem Volumen von rund 400 000 Kubikmeter an. Die Maßnahme soll die Zahl der Tage, an der die Kanalisation unkontrolliert überläuft, von jährlichen 30 bis 40 auf zehn bis 20 halbieren.

Späte Reaktion der Politik

Nach den Hauptstädtern setzt auch Bayern auf das Modell Schwammstadt. Anfang des Jahres stellte Umweltminister Thorsten Glauber einen Leitfaden für Kommunen und Planer vor. Und schickte gleich eine Mahnung hinterher: “Dafür dürfen Städte nicht weiter zubetoniert werden.”

Wirklich neu ist die Erkenntnis nicht. Ebenso wenig wie die, dass der Klimawandel weit fortgeschritten ist. Doch entschieden gegengesteuert hat die Politik nicht.

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Schwammstadt im Modell Parkraum fürs Wasser

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