Kollaps im Altkleider-Container

Unter einer stetig steigenden Flut ausrangierter Blusen, Hosen und Jacken quillen Altkleider-Container und die Lager von Kleiderkammern über. Vor allem billige Wegwerf-Mode befeuert den Wahnsinn. Kann Secondhand-Mode den Ökofrevel eindämmen?

Kleider-Shop
Darf’s ein bisschen mehr sein? Bekleidungsindustrie verursacht mehr Treibhausgas-Emissionen als Luft- und Schifffahrt zusammen Foto: Free-Photos on Pixabay

Nie war es einfacher, sich in einen Kaufrausch zu versetzen als im Onlinezeitalter. Und bei Mode verfängt das besonders gut. Tablet in die Hand, Bluse, Hose, Rock in den Warenkorb – am anderen Morgen bringt der Zusteller die Ware ins Haus.

Oft geht es dann so weiter: Mal anprobieren, wenn’s gut läuft, einmal tragen, oder gleich ab damit in den Altkleider-Container. Selbst Zurücksenden ist bei den Billigstpreisen vielen Mode-Junkies zu viel der Mühe.

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Wöchentliche neue Kollektionen schüren den Kaufrausch

Die Welt erstickt in einer Kleiderflut. Ohne Rücksicht auf die enormen ökologischen und sozialen Schäden, überschwemmen Modekonzerne wie Zara, Primark und H&M die Märkte mit schnell produzierter, minderwertiger Ware. Fast Fashion nennt sich die Wegwerf-Mode verniedlichend. Sie ist von vornherein nicht auf Langlebigkeit ausgelegt. Denn inzwischen kurbeln die Marken schon im Wochenrythmus mit neuen Kollektionen die Verkäufe an.

60 neue Kleidungsstücke für jeden Deutschen im Jahr

Mit Erfolg. Seit die Konzerne die schnelle Mode puschen, legt der Absatz in den westlichen Industrienationen jährlich um 60 Prozent zu. Zugleich tragen die Käufer die Stücke nurmehr halb so lang wie noch vor 15 Jahren. Jeder Deutsche kauft laut einer Greenpeace-Studie im Durchschnitt 60 neue Kleidungsstücke im Jahr und trägt diese vier bis sieben Mal, bevor er sie irgendwo im Schrank vergisst oder in den Altkleider-Container wirft.

Um die ursprüngliche Funktion von Kleidung, nämlich den Körper zu schützen und zu wärmen, geht es schon lange nicht mehr. Den Preis für den besinnungslosen Konsum zahlen Millionen äußerst mies bezahlte Näherinnen in Staaten wie Bangladesh – und natürlich die Umwelt.

Mikroplastik und Treibhausgase sind ruinöse Begleiter des Booms

Die Bekleidungsindustrie belastet den Globus mit mehr Treibhausgasen als die Luft- und Schifffahrt zusammen. Sie ist für jährlich 92 Millionen Tonnen Abfall verantwortlich. Und auf ihr Konto gehen 35 Prozent der weltweiten Mikroplastik-Verschmutzung. Die Mikrofasern aus erdölbasiertem Polyester und anderen Kunststoffe gelangen vor allem beim Waschen in Gewässer, die Luft und den Boden.

Weil sie mit dem Leeren nicht mehr nachkommen und immer mehr afrikanische Länder sich weigern, den Wohlstandsmüll des reichen Nordens abzunehmen, haben Städte wie Hamburg und Dortmund begonnen, die Altkleidercontainer abzubauen. Niemand weiß mehr so recht, wohin mit dem Kram. Arme in Rumänien und Bulgarien heizen damit inzwischen ihre Öfen und vergiften sich an den Abgasen, enthüllte kürzlich das ZDF in seiner Zoom-Reportagereihe.

T-Shirts und Jeans zu Kilopreisen

Wie aber könnte es gehen, sich einigermaßen im Einklang mit der Natur zu kleiden? Robin Balser, Gründer des Mainzer Secondhand-Modeunternehmens Vinokilo setzt auf den alten Gedanken der Weiterverwertung, indem Verbraucher tragen, was anderen nicht mehr gefällt. „Mode kann stylish und nachhaltig sein“, will er die Lebenszeit der gebrauchten Ware verlängern. Balser veranstaltet Events, auf denen fast neue Jeans, T-Shirts und Kleider zu Kilopreisen erworben werden können. Und bietet die Stücke auch im Internet an.

Nach einer jüngsten Studie der Berater von Boston Consulting wächst der internationale Secondhand-Markt dieses Jahr auf 36 Milliarden US-Dollar. 2019 lag er bei 25 Milliarden Dollar. Doch selbst wenn mehr Menschen zu Abgelegtem greifen, wie früher Scharen auf den beliebten Flohmärkten. Gegen die Kleiderflut kann die Bewegung nicht allzu viel ausrichten.

Mehr: fairlis

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  1. Mode: Beständiger Chic kontra Wegwerf-Wahn

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