Große und kleine Sterne am Recycling-Himmel

Weil Rohstoffe knapp sind und ihre Preise durch die Decke gehen, wächst das Interesse am Aufbau von Materialkreisläufen. Daimler plant erstmals den Bau einer Recycling-Fabrik – der gute alte Schrotthandel erlebt eine digitale Wiedergeburt.

Luftaufnahme des neuen Mercedes-Werk in Sindelfingen
Neues Mercedes-Werk in Sindelfingen 12 000 Photovoltaik-Module, Recycling-Beton, Regenrückhaltebecken – Vorfahrt für Klimaneutralität Foto: Daimler

Erneut sorgt Neu-Daimler-Vorstandschef Ola Källenius für Schlagzeilen. Nicht nur produzieren die Schwaben einen ersten Elektro-Laster in Serie, trimmten sie ihr neues Montagewerk in Sindelfingen mit Solarmodulen, Regenrückhaltebecken und dem Einsatz von aufbereitetem Altbeton auf Klimaeffizienz und sollen schon von 2025 an alle neuen Fahrzeugarchitekturen rein elektrisch basiert sein. Da folgt schon der nächste Paukenschlag.

Kostbare Rohmaterialien sichern

Källenius kündigte jetzt an, als erster Autobauer weltweit eine eigene Recycling-Fabrik aufbauen zu wollen. Details verriet der Manager zwar nicht. Dafür machte er aus der Motivation für den Vorstoß in ein Gefilde jenseits der Kernkompetenz eines Mobilitätskonzerns kein Geheimnis: Es gelte, dem Unternehmen kostbare Rohmaterialien zu sichern und diese neu zu verwerten.

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“Wir müssen diese Technologie beherrschen und anwenden können”, sagte der gebürtige Schwede auf einem Branchentreffen des “Handelsblatts”. Und erwähnte dabei die Wiederverwendung von Batteriezellen, in denen extrem teure Materialien wie Kupfer, Lithium und Kobalt stecken.

Auf den Spuren von BMW

Die Hebung des bisher ungenutzten Rohstoffschatzes, auf denen wie Daimler viele Produktionsbetriebe sitzen, birgt gleich mehrere Vorteile. Sie reduziert die Importabhängigkeit, den Ressourcenverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen. Und es steckt viel Geld im Aufbau einer Recycling-Industrie. Auf jährlich zwölf Milliarden Euro Wertschöpfung und 170 000 neue Stellen taxieren die Unternehmensberater von Deloitte das Geschäft.

Källenius wandelt mit seinem Vorstoß auf den Spuren von Luxuslimousinen-Konkurrenten BMW. Der Chef des bayrischen Autoproduzenten, Oliver Zispe, versprach schon im März dieses Jahres, die Münchner wollten über die gesamte Wertschöpfungskette gerechnet “das grünste Elektroauto der Welt” herstellen. Der längste Hebel dabei sei der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. „Aus Rohstoffen, die mal ein Auto waren, kann wieder ein Auto werden.“

Wenn die Schrottbiene kommt

Taucht mit Daimler ein neuer großer Stern am Recycling-Himmel auf, flackert in Neuss am Rhein ein anderer noch vergleichsweise schwach. Dort will das Start-up Scrapbees das altehrwürdige Geschäft mit Altmetallen zu neuer Blüte führen – unter dem schnell begreiflichen Namen “Schrottbienen”. Die dicke Bimmel, mit der Schrotthändler früher lautstark auf ihr Kommen aufmerksam machten, hat allerdings ausgedient beim Einsammeln der urbanen Rohstoffminen.

Verarbeitende Betriebe, Handwerker und Privatleute melden per App, Email oder Webseite, was sie an Schrott loswerden möchten. Die nordrhein-westfälischen Recycling-Experten beraten, was davon wirklich wiederverwertbar ist und holen die Metalle mit einem Transporter ab. Für Privatleute ist der Service kostenfrei. Handwerker und kleinere Betriebe zahlen unterschiedliche Tarife, ersparen sich aber die Entsorgungskosten. Für besonders hochwertige Altmetalle zahlen die Schrottbienen eine Vergütung.

Ressourcen der Welt schonen

Derzeit sind sie vor allem im Rhein-Ruhr-Gebiet und im Bergischen Land auf Achse. In Stuttgart testen sie, ob das Konzept auch in anderen Regionen angenommen wird. Für eine bundesweite Ausdehnung werden Investoren gesucht.

Mitgründer Thilo Hamm versucht sie nicht zuletzt mit Umweltargumenten von seiner Sache zu überzeugen. “Um ein Kilogramm Aluminium herzustellen”, redet er Geldgebern ins Gewissen, “werden 85 Kilogramm Ressourcen der Welt verbraucht, bei Kupfer sind es sogar 500 Kilogramm.” Das ist es doch viel sinnvoller, findet nicht nur er, zu nutzen, was man schon hat.

Mehr: automobil-produktion Schrottbienen

Von Dieter Dürand

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