TÜV nach Dammunglück in Brasilien vor Gericht

Er war eine der größten Naturkatastrophen Brasiliens: das Überlaufen des Dammes von Brumadhino 2019. Nun fordern Opfer und deren Angehörige vom TÜV Süd, der die Anlage als okay einstufte, Wiedergutmachung.

Von Schlammmassen verwüstet und in den Tod gerissen: Welche Verantwortung trug der TÜV Süd? (Foto: Ibama)

Mindestens 256 Tote, elf Vermisste, mehr als zwei Dutzend zerstörte Gebäude, eine eingerissene Eisenbahnbrücke: Dies richtete die acht Kilometer lange Schlammlawine an, die sich am 25. Januar 2019 in Richtung des Flusses Paraopeba wälzte, nachdem der Staudamm in der Kleinstadt Brumadinho bei Belo Horizonte im brasilanischen Bundesstaat Minas Gerais übergelaufen war. Auslöser war ein geborstenes Absetzbecken der Minengesellschaft Vale. Der größte Eisenexporteur der Welt wurde inzwischen zu Schadenersatz verurteilt.

Musterklage von weitreichender Bedeutung

Doch welche Schuld trägt der TÜV Süd aus München, der das Absetzbecken des Konzerns als sicher zertifziert und damit die Basis für die Betriebserlaubnis gelegt hatte? Das klärt von nun an ein Gericht in München im Rahmen einer Musterklage, hinter der 1200 Geschädigte stehen. Am Ende wird sich zeigen, wer sich bei solchen menschengemachten Naturkatastrophen hinter wem verstecken kann – und ob die Justiz wie im Fall der Umweltschäden durch den niederländisch-britischen Ölkonzern Shell in Nigeria dem Verursacherprinzip zum Durchbruch verhilft.

TÜV weist Schuld von sich

Die Kläger werfen dem TÜV vor, bei der Berechnung des Risikos, dass sich der Boden verflüssigt, als zu niedrig festgesetzt habe, um dem Auftraggeber Vale Kosten zu sparen und von diesem weitere Prüfaufträge zu halten. Der TÜV verwahrt sich dagegen. Ebenso sehen die Kläger Vale und TÜV gemeinsam in der Verantwortung, wie es das brasilianische Umweltrecht vorsieht. Die Bayern hingegen sehen die Entschädigung als Aufgabe des Rohstoffgiganten, der inzwischen eine Summe von sechs Milliarden Euro zugesagt haben willDer TÜV Süd meint, ausreichend vorsichtig gehandelt zu haben.

Frage der Gerechtigkeit

Gustavo Barroso verlor seine Schwester Izabela, eine Ingenieurin, bei dem Unglück. „Niemand kann mir Izabela zurückbringen“, so der 36-jährige Brasilianer vor Gericht. Er sei traurig und empört, dass der TÜV sich weigere, die volle Verantwortung zu übernehmen. Brumadinho Bürgermeister fasst seine Erwartungen an den Prozess so zusammenamen: „Ich will Gerechtigkeit.” Noch heute litten der Ort und die Menschen unter der Katastrophe vor gut zweieinhalb Jahren.

Mehr: FAZ

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*