Neue Atomkraftwerke: sichergefärbt und schöngerechnet

Eine neue Generation winziger Atomkraftwerke soll angeblich sicherer und wirtschaftlicher sein als bisherige Meiler. Doch ein Gutachten des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung straft die Lobbyisten Lügen.

Wir basteln uns ein kleines Atomkraftwerk : Atomlobbyisten nutzen den Kampf gegen die Erderwärmung als Propaganda für ihre eigenen Ziele (Foto: Hersteller)

Multimilliardär und Microsoft-Gründer Bill Gates will sie, um mit seiner Firma Terrapower daran zu verdienen, die Atomlobby sowieso und auch der neue US-Präsident Joe Biden: Small Modular Reactors, sogenannte kleine modulare Reaktoren, kurz: SMR. Das sind Mini-Atomkraftwerke, die sich wie Bausteine beliebig aufstellen und zusammensetzen lassen. Die Winzlinge, zum Beispiel nur ein Dreißigstel so leistungsfähig wie bisherige Meiler, seien wirtschaflticher und sicherer als die herkömmlichen Großanlagen – vor allem aber eine Mittel, “wie wir die Klimakatastrophe verhindern”, so Gates in seinem neuen Buch.

Teurer als Anlagen für erneuerbare Energie

Doch die Prophezeiung einer sicheren und kostengünstigen strahlenden Zukunft führen in die Irre. So lässt sich das Ergebnis eines Gutachtens zusammenfassen, das das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) bei renommierten Instituten in Auftrag gab. Das negative Fazit beruht auf vier Erkenntnissen. Erstens seien die Baukosten pro Megawatt Leistung höher als bei erneuerbaren Energien, selbst wenn man Speichertechnik hinzurechne, urteilt das Freiburger Öko-Institut in dem Gutachten. Kostensenkungen bei den SMR etwa durch Massenproduktion seien nach allen Erfahrungen dieser Industrie nicht zu erwarten, zumindest nicht, bevor 3000 dieser Reaktoren gebaut seien.

Kosten steigen mit Sicherheitsanforderungen

Zweitens ist die angeblich hohe Sicherheit nur zu gewährleisten, wenn die Hersteller die geringeren Vorkehrungen in den kleinen Anlagen zum Beispiel beim Notfallschutz über das vorgesehene Maß hinaus verbessern. Das erhöhe die Kosten weiter. Drittens wird es, anders als die Befürworter behaupten, auch mit SMR-Meilern ein Endlager brauchen, so das Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Wiener Universität für Bodenkultur in dem Gutachten. Im besten Fall ließe sich die Menge der verbleibenden strahlenden Urane durch die SMR von 150 auf 30 Tonnen reduzieren, dies allerdings in einem Zeitraum von 300 Jahren. Und die schwach- sowie mittelaktiven Abfälle, die beim Abbau von Atomkraftwerken anfallen, würden “massiv” wachsen.

Kaum kontrollierbare Verbreitung nuklearen Materials

Viertens schließlich würde durch die SMR die Gefahr der Proliferation wachsen, also der unerlaubten Verbreitung nuklearen Materials, ob für den Bau von Waffen oder den sonstigen verbrecherischen Einsatz. Denn allein, um die heute gut 400 großen Atomkraftwerke weltweit zu ersetzen, wären viele tausend bis zehntausend SMR-Anlagen erforderlich, so das Öko-Institut. Dadurch gebe es mehr Möglichkeiten für Proliferation und der Aufwand für Überwachungsmaßnahmen erhöhe sich, warnt das Öko-Institut. Völlig unkalkulierbar würden die Risiken, sollten die Anlagen tatsächlich massenhaft zum Einsatz kommen.

Dies alles zeige, sagte Base-Chef Wolfram König gegenüber der “Süddeutschen Zeitung”, dass die SMR-Technologie weder Altlasten beseitigen noch die Zukunftsfrage des Klimawandels lösen könnten.

PS Über die Idee kleiner putziger AKW hatte sich bereits 1978 der damalige deutsche Komiker Loriot lustig gemacht.

Mehr: Süddeutsche Zeitung

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