Neue Beratungsregeln für “grüne” Geldanlagen

Um ihren Green Deal voran zu bringen, will die EU-Kommission mehr Euro in nachhaltige Geldanlagen lenken. Seit Anfang August müssen Berater Kunden gezielt danach befragen. Die Gefahr von Greenwashing ist groß.

Mit Plastikmüll verschmutztes Gewässer: Umweltverschmutzung ist ein Ausschlusskriterium für grüne Geldanlagen
Verdrecktes Gewässer Umweltzerstörung als Ausschlusskriterium bei der Geldanlage Foto: myimmo/Pixabay

Ob Großinvestor oder Kleinsparer – nach den Vorgaben aus Brüssel sollen neben Rendite und Risiken künftig auch Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung bei der Beratung durch Finanzspezialisten und Versicherungsvermittler eine gewichtige Rolle spielen. Die zweite europäische Finanzmarktrichtlinie verpflichtet sie seit dem 2. August, mit Kunden gezielt über nachhaltige Geldanlagen und verantwortbare Investments zu sprechen. Sie dabei nach ihren Präferenzen zu fragen und die Ergebnisse zu protokollieren.

Für viele Geldanlagen fehlen klare Nachhaltigkeits-Kriterien

Der Kasseler Finanzprofessor Christian Klein sieht große Herausforderungen auf die Branche zukommen. “Die Umsetzung der Vorgaben ist für die Berater ein Wahnsinn”, findet er. Zum einen, weil sie den Kunden in relativ kurzer Zeit komplizierte Sachverhalte wie Taxonomie und Offenlegungsverordnung erklären müssten. Gerade für Privatanleger oft ein Buch mit sieben Siegeln. Zum anderen, weil es an einer klaren Nachhaltigkeits-Definition fehle, beklagt der Fondsverband BVI, der 116 Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter mit einem Anlagekapital von vier Billionen Euro vertritt.

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Das Hauptproblem steht Klein zufolge dann am Ende der Beratung: Wie aus dem riesigen Angebot die Produkte herausfinden, die die Wünsche der Kunden wirklich treffen.

Boom bei grünen Produkten

Zur unklaren Abgrenzung trägt ausgerechnet die EU-Kommission selbst kräftig bei. Mit ihrer Taxonomie-Verordnung hat sie Regeln erlassen, die wirtschaftliche Aktivitäten in “nachhaltig” und “nicht-nachhaltig” einteilt. Unter politischem Druck aus Berlin und Paris gelten nach einem faulen Kompromiss jetzt aber auch bestimmte Investitionen in Gasanlagen und Atomkraft als grün.

Klar ist, dass die Politik Kapital verstärkt dorthin lenken will, wo es dem Klima und der Umwelt hilft, statt ihnen zu schaden. Sie trifft damit offensichtlich einen Nerv der Anleger. Vergangenes Jahr flossen nach Zahlen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) 501,4 Milliarden Euro in grüne Produkte – mehr als je zuvor (siehe Grafik unten).

Beindruckender noch als das Gesamtvolumen ist die Wachstumsrate. Seit dem Jahr 2006 sprangen die Investitionen dem Marktbericht zufolge in den beiden wichtigsten Segmenten Publikumsfonds sowie Mandate und Spezialfonds von sechs auf 409,5 Milliarden Euro (siehe Grafik unten). Die Entwicklung zeigt, dass viele Anleger mit ihrem Geld zur Rettung des Planeten beitragen wollen.

Das FNG hat bei den Fondsmanagern auch erhoben, bei welchen Verstößen diese kein Geld transferieren. An der Spitze dere Ausschlusskriterien stehen in Deutschland Menschenrechtsverletzungen sowie Korruption und Bestechung. Kohleprojekte, Umweltzerstörung sowie Waffen und Rüstung sehen die Manager teils deutlich weniger kritisch (siehe Grafik unten).

Das rührt an einen wunden Punkt vermeintlich nachhaltiger Finanzierungen, der sogar dem Umweltbundesamt (UBA) ein eigenes Kapitel auf seiner Webseite wert ist: die Glaubwürdigkeit. Die Behörde greift zur Illustration den aktuellen Fall der Deutsche-Bank-Investmenttochter DWS auf. Deren geschasste Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler warf laut UBA der Fondsgesellschaft vor, nicht so nachhaltig investiert zu haben, wie sie Kunden und Öffentlichkeit weismachen wollte. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main nahm die Anschuldigungen so ernst, dass sie Ende Mai eine Razzia bei der DWS durchführte. Tags darauf trat deren Vorstandschef Asoka Wöhrmann zurück.

91 Prozent analysierter Fonds stecken Anlegergeld in schmutzige Geschäfte

Für Christian Sewing, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, sind solche Vorfälle Anlass zur Mahnung. “Allen Marktteilnehmern ist bewusst, wie gefährlich Vorwürfe von Greenwashing sind.” Muss er ja wissen, ist er im Hauptberuf doch Chef der Deutschen Bank.

Mit ihren Praktiken steht die Konzerntochter DWS nach Erkenntnissen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Facing Finance und Urgewald nicht allein da. Von 2163 in Deutschland zugelassenen Investmentsfonds stecken deren Analyse zufolge 91 Prozent das Geld der Anleger in schmutzige Geschäfte.

Anleger ziehen wegen der Skandale Geld ab

Skandale wie die bei der DWS schrecken Anleger neuerdings ab, ganz wie von Sewing befürchtet. Laut der Onlineplattform Envestor.de zogen sie von Februar bis April erstmals rund 18 Milliarden Euro aus als “grün” deklarierten Fonds ab. Der Boom hat einen Dämpfer bekommen.

So bleibt für Anleger am Ende vor allem ein bekannter Rat übrig: Niemals blind vertrauen! Sich lieber selbst vor dem Beratungsgespräch gut informieren, was sich hinter Finanzprodukten verbirgt, die als nachhaltig beworben werden.

Mehr: manager-magazin forum-ng UBA

Dieter Dürand

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