Norweger machen Abfall zum begehrten Umweltgut

Norwegische Forscher wollen die weltweit umweltfreundlichste Verbrennungsanlage für Abfall entwickeln. Die Anlage soll so gut wie keine Schadstoffe ausstoßen. Mehr noch: Auch die CO2-Emissionen werden abgeschieden und auf ewig entsorgt.

Abfall Zu schade, um wegzuwerfen (Ben Kerckx/Pixabay)
Abfall Zu schade, um wegzuwerfen (Ben Kerckx/Pixabay)

Årdal heißt ein idyllischer 5 000-Personen-Ort am Ende des Sognefjords. Bislang war Årdal nur ein Begriff für Nordland-Touristen. Doch bald steht die Fjord-Gemeinde auch für sauberste Anlage zur Nutzung von Abfall. Netox, so der Prjektname, soll Müll in Strom verwandeln. Zusätzliche Produkte sind umweltneutrale Asche, ausgefilterte Feinstäube – und Kohlendioxid. Doch das Klimagas gelangt nicht in Atmospäre. Es wird entnommen und in untermeerische Tiefen verpresst.

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Bei der Verbrennung von Müll entsteht jede Menge Wärme, die zunehmend als Fernwärme für die Beheizung von Gebäuden genutzt wird. In Årdal soll damit Strom erzeugt werden. Der Strom soll unter anderem dazu genutzt werden, in einem Elektroyseur Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Die Elektrolyse-Technik gibt es seit über zweihundert Jahren. Wenn man zwei elektrische Pole in eine Wasserlösung taucht, entstehen an einem Pol Wasserstoff, an dem anderen Sauerstoff.

Sauerstoff statt Luft

In Årdal geht es vor allem um den Sauerstoff. Er soll die Verbrennung des Mülls optimieren. Die Verwendung von Sauerstoff anstelle von Luft hat viele Vorteile, nicht zuletzt, dass es einfacher ist, das bei der Verbrennung entstandene CO2 einzufangen. Oxyfuel heißt das Verfahren. Anders als bei der Verbrennung mit Luftzufuhr muss das Klimagas nicht aus einem voluminösen Rauchgasaufkommen ausgewaschen werden. Die Oxyfuel-Technik spart dadurch enorme Mengen von Energie.

Allerdings führt die Verwendung von Sauerstoff zu hohen Temperaturen in der Brennkammer. Die Anlagenentwickler, eine Forschergruppe des norwegischen Forschungsinstituts Sintef, griffen zu einem Trick, um die Temperaturen abzusenken. „Wenn wir Luft durch Sauerstoff ersetzen, um einen bestimmten Brennstoff zu verbrennen, wird die Verbrennungstemperatur sehr hoch – tatsächlich zu hoch für den Ofen und den Kessel“, erklärt Mario Ditaranto, Chef-Wissenschaftler bei Sintef. „Führen wir aber CO2 zu , das dabei aus den Rauchgasen zurückgeführt wird, sinkt die Temperatur, sodass die Verbrennung bei normalen Temperaturen stattfinden kann.”

Klimagas aus Abfall in die Erde verbannen

Das CO2, das bei der Verbrennung anfällt, wird – kostengünstig – eingefangen. Die Netox-Forscher wollen den Kohlenstoff im Rahmen des nationalen Lanskip-Vorhabens in Lagerstätten unterhalb des Meeresbodens verpressen. Norwegen ist weltweit führend in der Entwicklung der sogenannten CCS-Technik. CCS bedeutet Carbon Capture and Storage, auf Deutsch: Kohlenstoff-Abtrennung und Endlagerung. In den vergangenen Monaten hatten sowohl Vizekanzler Robert Habeck wie auch die Ko-Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang die CCS-Arbeiten in Norwegen besichtigt, weil CO2-Vermeidung allein nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen.

Tatsächlich entzieht die Netox-Anlage und die nachgeschaltete Verpressung unter dem Meer der Atmospäre Kohlenstoff. Denn Biomasse bindet CO2. “Indem wir diese Biomasse verbrennen und dann das gesamte entstehende CO2 auffangen und binden, entfernen wir es aus der Atmosphäre“, sagt Ditaranto.

Norwegen verkauft bislang große Mengen seines Mülls an schwedische Abnehmer. Im Nachbarland dient er zur Wärme- und Stromerzeugung. Nach Einschätzung von Sintef-Forscher Ditaranto werden zwar noch ein paar Jahre verstreichen, bevor die geplanten großtechnischen Anlagen in norwegischen Städten in Betrieb gehen. Doch dann werden sich die schwedischen Versorger anderweitig umsehen müssen.

Die norwegischen Forscher hoffen, dass die neue Art der Müllverbrennung früher oder später ein einträgliches Geschäft wird. Zum einen könnten die stetig steigenden CO2-Abgaben die Rentabilität des Oxyfuel-Verfahrens erhöhen. Zum andern ergeben sich Synergien mit der Wasserstoff-Erzeugung, weil der Strom für die Produktion gleichsam als Nebenprodukt anfällt. Und nicht zuletzt gibt es – dank der anpassungsfähigen Verbrennung an verschiedenste Müll-Zusammensetzungen – reichlich Energie für Fernwärme.

Mehr: Sintef; Ingenieur.de

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