Klärschlamm, Altreifen, Plastik – die Zementindustrie verdient königlich an der Müllverbrennung

Wegen ihres gigantischen Energiebedarfs gehören Zementfabriken zu den größten Klimasündern auf der Welt. Da hält die Industrie lieber unter der Decke, dass sie mit dem Verheizen von Müll ein neues schmutziges Geschäft forciert. Ein Brancheninsider packt aus.

Zementwerk im Grünen
Zementwerk im Grünen Alles andere als idyllisch Foto: caropat on Pixabay

Sein Motiv ist unklar, aber gegenüber dem Internet-Nachrichtenportal Business Insider Deutschland nimmt der Duisburger Unternehmer Dirk Lechtenberg kein Blatt vor den Mund. Mit seinem Unternehmen stellt er Ersatzbrennstoffe aus Müll her und beliefert damit Zementfabriken. Der 55-Jährige kennt sich also aus, und sein Urteil lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Die Zementindustrie in Deutschland hätte erhebliche Probleme, wenn Abfälle als Brennstoffe nicht mehr zur Verfügung stehen würden. Dann würde der Zementpreis steigen oder die Produktion ins Ausland verlagert, berichtet er.

Das Müllgeschäft subventioniert die Zementherstellung

Laut sagen will das kein Großer der Branche. Weder das börsennotierte HeidelbergCement noch der Schweizer Konkurrent Lafargeholcim, der in Deutschland etliche Zementwerke betreibt. Der Stuttgarter Wissenschaftler Harald Schönberger, der seit Jahren zur Müllverbrennung in Zementwerken forscht und deutsche Umweltbehörden berät, spricht es umso deutlicher aus: „Das Müllgeschäft subventioniert die Zementherstellung.“

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In den Abfällen verbergen sich potentiell gesundheitsgefährdende Gifte

Der Zusammenhang ist leicht zu erfassen. Verfeuert ein Zementwerk etwa Braunkohle in seinen Öfen, um den Baustoff zu produzieren, müssen die Manager die Tonne für rund 60 Euro einkaufen. Nehmen sie Entsorgern, Unternehmen und Kommunen stattdessen Abfälle als Ersatz ab, kassieren sie 30 und 60 Euro pro Tonne für die sogenannten „brennbaren Abfälle“ und rund 100 Euro pro Tonne für den gefährlichen Rest.

Dahinter verbergen sich Farben, Lösungsmittel, Destillationsrückstände, Klärschlämme, Lacke, ja neuerdings sogar Rotorblätter von Windrädern. Alles potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe.

In Kärnten war ein ganzes Tal verseucht

Welche Risiken darin stecken, erlebten die Bewohner des idyllischen Görtschitztal im österreichischen Kärnten. 2014 entdeckten die alarmierten Behörden, dass Tierfutter, Gemüse, Milchprodukte und sogar das Blut von Menschen teils hochgradig mit einer verbotenen Chemikalie belastet waren. Der Ursprung des Übels: ein Zementwerk mitten im Tal.

Verbessert der Umstieg von der Kohle auf Müll denn wenigstens den CO2-Fußabdruck der Branche? Wohl eher nicht.

Als Holcim in Lägerdorf, rund 50 Kilometer nördlich von Hamburg, 2014 einen neuen Müllofen in Betrieb nahm, verkündete die Pressestelle: „Damit schonen wir fossile Rohstoffe und reduzieren CO2-Emissionen.“ Der Effekt hielt nicht lange an. Schon 2019 erreichten sie wieder das alte Niveau.

Ausnahmeregelungen Schuld an den schädlichen Nebenwirkungen

Solch schlechte Werte und schädlichen Nebenwirkungen sind allerdidngs wenigstens zum Teil der laschen Gesetzeslage mit ihren Ausnahmeregelungen geschuldet. Darauf weist die grüne Bundestagsfraktion hin. Sie erlauben für fast alle Zementwerke achtfache Schwefeldioxid-Emissionen. Bei den Kohlenmonoxid-Werten ist in Einzelfällen sogar eine 60-fache Überschreitung der Grenzwerte erlaubt. Die Folge: Zementwerke, die Abfall verbrennen, stießen häufig deutlich mehr Schadstoffe aus als Anlagen, die nur Kohle verfeuern. Dies zeigten Schadstoffmessungen, die der Fraktion vorlägen.

Grüne fordern den Einbau moderner Filter

Für die Großzügigkeit des Gesetzgebers gibt es, so die grüne Bundestagssprecherin für Umwelt. Bettina Hoffmann, keinen vernünftigen Grund. Strengere Grenzwerte wären nach dem Stand der Technik durchaus einzuhalten. Allein durch den Einsatz sogenannter SCR-Filter könnte etwa der Ausstoß von Stickoxiden um bis zu vierzig Prozent gesenkt werden, betont Hoffmann.

Für einzelne Umweltgifte sei sogar eine Reduzierung bis zu 95 Prozent möglich. Jedoch habe nur jedes sechste Zementwerk diese Filter eingebaut. Die Grünen sind allerdings nicht grundsätzlich gegen die Verbrennung von Abfall in Zementwerken. Die Verwertung der Abfälle als Energieträger für Zementwerke sei eine Möglichkeit, CO2 einzusparen. Das gelte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Abfälle nicht anderweitig rezykliert werden könnten.

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