Rattenplage – New Yorks mühsamer Weg zur Mülltonne

In Europa gibt es sie seit über hundert Jahren. New York dagegen hat mit dem Kampf um die Einführung der Mülltonne gerade erst begonnen.

Straße in Greenwich Village New York City, Millionenstadt ohne Mülltonnen, aber voller Ratten (Rainer Sturm/Pixelio.de)
Straße in Greenwich Village New York City, Millionenstadt ohne Mülltonnen, aber voller Ratten (Rainer Sturm/Pixelio.de)

Mit dem Müll geht das in New York so: Abends legen die New Yorker ihren Müllsäcke vor das Haus an den Straßenrand. In der Nacht holen die Müllwerker die Säcke ab. Das Problem: Die Säcke reißen oft. Oder die Ratten beißen sich durch die Plastikfolien, um sich an den Abfällen gütlich zu tun.

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Drei Millionen Ratten gibt es in der Stadt am Hudson River. Jahr für Jahr werden es mehr – nicht zuletzt, weil immer reichlich Nahrung vorhanden ist. Denn jeden Abend legen die 8,5 Millionen New Yorker 20 Millionen Kilogramm Müll auf die Straße. Ein Großteil davon sind Lebensmittelreste – gefundenes Fressen für die Ratten.

Der Stadtverwaltung ist das Problem bewusst. Seit Jahren diskutieren Bürger sowie Stadtmütter und -väter über Abhilfe. Jetzt soll ein für New York wahrhaft revolutionäres Konzept dem Müllnotstand ein Ende bereiten: Mülltonnen. Doch mit der Einführung der Tonnen, die in anderen Städten seit über hundert Jahren selbstverständlich sind, tut sich die Stadt schwer. Statt – wie in den meisten Großstädten Europas vor Urzeiten geschehen – ruckzuck die praktischen Tonnen einzuführen, bestellte New York zunächst einmal eine millionenteure Studie bei der Beratungsgesellschaft McKinsey.

New York macht Schluss mit Müll auf der Straße

Drei Jahre gingen ins Land. Jetzt endlich sollen…nein, nicht etwa Mülltonnen flächendeckend eingeführt werden. Doch New Yorks Bürgermeister Eric Adams hat Anfang des Monats immerhin ein Testprojekt in West Harlem gestartet. Bis Ende der Achtzigerjahre war West Harlem ein herunter gekommener Stadtteil, vornehmlich von armen Afroamerikanern bewohnt. Heute ist die Bewohnerschaft gemischt. Latinos und Schwarze machen noch immer den Großteil der Bevölkerung aus. Arme gibt es allerdings nicht mehr viele. Das Viertel ist gentrifiziert.

Trotzdem litt der Stadtteil litt bis vor kurzem noch immer unter der Rattenplage. Bewohner beklagten sich darüber, dass sie nachts sich nicht mehr wagten, die Straßen mit Sandalen zu betreten. Für ein Müll-Experiment ist das Viertel ideal geeignet. Eine starke Nachbarschaftkultur prägt das Quartier. West Harlem ist heute von einer politisch wachsamen Bevölkerung sozialer Aufsteiger geprägt, die dem Neuen gegenüber aufgeschlossen ist. Die Bereitschaft, sanitäre und soziale Mißstände geduldig hinzunehmen, ist hingegen gering.

Latino-Stadtrat kämpft für sein Viertel

Dazu kommt das Engagement des rührigen Stadtrats Shaun Abreu. Der Sohn proletarischer Einwanderer aus der Dominikanischen Republik ist dafür bekannt, auch für schwierige Projekte die Zustimmung der Stadtregierung wie auch der Bürger zu gewinnen. Seinen Wahlkreis gewann der 34-jährige mit 88 Prozent der Wählerstimen. „Die Menschen in West Harlem fordern seit Jahren mehr Einsatz, um unsere Straßen sauber zu halten“, sagte Abreu der Tageszeitung amNY. „Es begann mit Nachbarn, die die Nase voll hatten und bereit waren, etwas Neues auszuprobieren. Jetzt ist der Müll von den Gehwegen verschwunden, die Ratten verschwinden, und wir zeigen, dass echte Veränderungen folgen, wenn die Gemeinden vorangehen und die Stadt zuhört.“

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Auf dem Weg zur Mülltonne NYC-Bürgermeister Eric Adams zeigt, wie Mülltonnen funktionieren (New York City)

Die Zustimmung der Stadt zu dem Experiment war dabei allerdings das kleinere Problem. Der Widerstand kommt eher von unten. Denn die Müllcontainer fressen wertvollen Parkraum.

Autofahrer sauer

Da es in vielen Stadtvierteln New Yorks an Platz in Hinterhöfen mangelt, stehen die großen Müllcontainer auf der Straße. Die kleineren NYC Bins, vergleichbar mit europäischen Tonnen, sind nur für Gebäude bis zu 30 Wohnungen erlaubt. Sie stehen in der Regel auf dem Grundstück der Hauseigentümer. Für Gebäude ab 31 Wohneinheiten sind hingegen die kleinwagengroßen Empire Bins vorgesehen. Sie fassen rund drei Qubikmeter und stehen in aller Regel auf ehemaligen Parksteifen.

Zwar sind nur vier Prozent aller Parkplätze, rund tausend, in West Harlem umgewidmet worden. Doch würde das Programm auf die gesamte Stadt ausgeweitet, müssten über 50 000 Parkplätze geopfert werden. Die konservative New York Post zitiert eine empörte Anwohnerin, die an einen normalen Werktagmorgen eine halbe Stunde gebraucht hatte, um einen Parkplatz zu finden: „Das Projekt blockiert Parkplätze, die in diesem Viertel ohnehin schwer zu finden waren.“

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Empire Bins So wird’s gemacht (New York City Department of Sanitation)

Etliche West Harlemer Bürger stoßen sich auch an dem Ufo-ähnlichen Aussehen der Container. „Ein Schandfleck“, zitiert die New York Post einen Anwohner, „sie sehen scheußlich aus.“ Andere sagen, die Container passten nicht ins Straßenbild. Einige Bewohner befürchten dem konservativen Lokalblatt zufolge sogar, die Harlem-Renaissance könne durch die häßlichen Behältnisse gefährdet werden.

Demgegenüber stehen die Rückmeldungen von Bewohnern über New Yorks Ratten-Notrufnummer 311. Die meisten Anrufe bestätigten, dass die Nagerplage seit der Einführung der Mülltonnen und Container sichtlich zurückgegangen ist. Viele Einwohner begrüßen, dass die Straßen sauberer geworden sind. Auch der säuerliche Gestank in den Abendstunden habe sich verflüchtigt.

Mehr: amNY; New York City Department of Sanitation; New York Post

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