Die Bohrung ist in der Geothermie der größte Kostenblock. Aufgegebene Öl- und Gasbohrungen senken die Kosten in der Nacherschließung erheblich und vermindern das Risiko von Fehlbohrungen.

Allein in Norddeutschland wurden seit 1858 über zehntausend Öl- und Gasbohrungen in Tiefen von mehr als 400 Metern niedergebracht. Für die Geothermie als Nachmieter ergeben sich ein Menge Vorteile. Zum einen sinkt das Explorationsrisiko erheblich. Schließlich sind die geologischen Daten weitgehend bekannt. Und die fehlenden Daten sind bei bereits bestehender Bohrung leichter zu ermitteln. Ist die Eignung des Bohrlochs erwiesen, kann die vorhandene Bohrung mit deutlich geringeren Kosten als eine Neubohrung ausgebaut werden.
Diese Ausgaben für die Exploration – mit der Gefahr der Fehlbohrung – und der anschließende Ausbau der Bohrung machen den größten Teil der Kosten eines Geothermieprojektes aus. Sie lassen sich bei der Nachnutzung zum großen Teil einsparen. Etwa 70 Prozent der Investitionen in ein Geothermie-Projekt gehen in die Bohrung.
Viele dieser Altbohrungen enden in Erdtiefen, in denen Temperaturen von mehr als 60 Grad Celsius herrschen. Allerdings ist nur ein Bruchteil davon für eine Nachnutzung geeignet. So mussten bis vor wenigen Jahren ausgediente Bohrlöcher wieder verfüllt werden. Erst im Jahre 2022, nachdem die Nachnutzung schon seit Jahren unter Fachleuten diskutiert wurde, änderten die Gesetzgeber die Vorschriften. Seitdem ist die Verfüllung so anzulegen, dass „eine spätere Nutzung des Untergrundes zur Gewinnung von Bodenschätzen und Wasser oder zur Untergrundspeicherung nicht beeinträchtigt wird“.
Eine Million Euro pro Kilometer Bohrtiefe
Ganz umsonst ist die Nachnutzung allerdings nicht. Denn die Umrüstung des Bohrlochs ist alles andere als billig. Da die Geothermie mit den heißen Flüssigkeiten aus der Erdtiefe – in der Regel salzhaltige Solen – arbeitet, braucht es größere Durchmesser als beispielsweise für die Erdgasförderung. Die Solen sind meist hoch aggressiv. Deshalb müssen die Rohrwände korrosionsfest sein. Darüber hinaus nutzt Geothermie für die Förderung und die anschließende Rückführung der heißen Solen ein Doppelrohrsystem. Dennoch dürften die Kosten für die Nachnutzung deutlich unter einer Million Euro pro Kilometer Bohrtiefe liegen, die erfahrungsgemäß für ein neues Bohrloch anfallen.
Eine Projektgruppe der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, München, simulierte per Rechner am Beispiel zweier Alt-Erdgasbohrlöcher von ExxonMobil die Möglichkeiten der Nachnutzung. Die Tiefen der Bohrungen in Niedersachsen lagen in einem Fall bei 2,8 Kilometer. Im anderen Fall Lagen sie bei 4,3 Kilometer. Die Temperaturen betrugen 114 Grad und 139 Grad. Ergebnis: Die Anlagen könnten über dreißig Jahre hinweg zwischen 200 und 400 Kilowatt liefern. In den Spitzen sogar bis zu 600 Kilowatt.
Erste Genehmigungen
Inzwischen gibt es eine erste Genehmigung für einen Nutzungstransfer. Im Mai erteilte das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover eine Erlaubnis an Wintershall DEA. Bei dem genehmigten Förderfeld im Kreis Diepholz wird es nicht bleiben. Aus Kreisen der Fossilwirtschaft ist zu hören, dass die Nachverwendung ein interessantes Nebengeschäft werden könne.
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