Spanien baut eine Fünf-Gigawatt-Photovoltaik-Fabrik

Lange schloss in Deutschland und Europa ein Solarwerk nach dem anderen. Die Billigkonkurrenz aus Asien war übermächtig. Jetzt traut sich ein spanisches Startup an die Wiederbelebung der hiesigen Photovoltaikindustrie. Auch anderswo regt sich neues Leben.

Solarkraftwerk im Grünen Europa besinnt sich auf den Wert einer eigenen Photovoltaik-Fertigung Foto: Fraunhofer ISE

Der Plan der andalusischen Provinzregierung steht. Ansonsten aber ist rund um das Projekt noch manches geheim. Zum Beispiel die Namen der privaten Investoren, die das notwendige Kapital für das Megaprojekt zuschießen sollen. Andalusien selbst wird voraussichtlich 30 Prozent an dem Startup Greenland Giga Factory halten.

Bekannt sind zumindest die Namen der Technologiepartner der Fünf-Gigawatt-Solarfabrik, die in spätestens zwei Jahren in der Freihandelszone des Hafens von Sevilla die Produktion von Solarzellen und einbaufertigen Modulen aufnehmen soll: Der Stuttgarter Steuerungstechnik- und Antriebsspezialist Bosch Rexroth liefert die Maschinen. Das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) berät bei Planung und Auslegung des Werks sowie bei der Auswahl der Zelltechnologie.

Mit Qualität und hohem Ertrag gegen chinesische Billigware

Um möglichst viel Wertschöpfung selbst in der Hand zu halten, wollen die Spanier auch die Wafer fertigen, auf denen die Zellen entstehen. Und sie setzten auf die Produktion besonders leistungsstarker Zelltypen in hoher Qualität, ein Kriterium, bei dem mancher chinesischer Billigrivale schwächele, berichtet ISE-Experte Jochen Rentsch.

Ist der andalusische Aufbruch das langersehnte Signal für ein Revival Deutschlands und Europas in einer Schlüsseltechnologie der künftigen, regenerativen Energieversorgung?

Europas Green Deal als Treiber

Die Ausgangslage ist zumindest nicht schlecht. Denn noch immer hat der alte Kontinent in Forschung und Entwicklung laut Rentsch die Nase vorn. Gerade erst stellte das ISE eine neue Rekord-Solarzelle vor. „Aus dieser starken Position ließe sich was machen“, ermuntert der Forscher. Er setzt dabei auf den Green Deal als Treiber, mit dem die EU-Kommission Europas Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität voran bringen will.

Ein erstes Zeichen hat Energiekommissarin Kadri Simson mit der Wiederbelebung der European Solar Initiative im März gesetzt. Das Ziel von ESI: Eine wiedererstarkte hiesige Photovoltaik-Industrie soll einen Gutteil des jährlich zwischen Polen und Portugal angestrebten Zubaus von 20 Gigawatt (GW) Sonnenstrom abdecken. Brüssel strebt eine größere Unabhängigkeit von Asien an – von der Gewinnung des Rohmaterials bis zum Recycling. Und auch den möglichen wirtschaftlichen Effekt hat die Kommission schon ausgerechnet: 40 Milliarden Euro soll die PV-Industrie jährlich zur europäischen Wirtschaftsleistung beitragen und 400 000 neue Jobs kreieren.

Auch Frankreich wird aktiv

Außer den Spaniern ist auch Frankreich aktiv geworden und subventioniert in Hambach unweit von Saarbrücken den Bau einer Vier-GW-Solarmodulfabrik. 680 Millionen Euro will die norwegische REC Group investieren. Für das zweite Quartal dieses Jahres hat das Unternehmen seine endgültige Entscheidung angekündigt.

Und was passiert beim einstigen Solarweltmeister Deutschland?

Altmaier zeigt wenig Tatendrang

Ohne das Engagement des Schweizer Maschinenbau-Konzerns Meyer Burger wäre dort ziemlich tote Hose. Die Eidgenossen rüsten zwei Werke aus der Konkursmasse des einstigen Bonner PV-Primus‘ Solarworld im sächsischen Freiberg und eines der ebenfalls Pleite gegangenen Q-Cells-Tochter Sovello in Bitterfeld auf neue Zelllinien um. In Sachsen-Anhalt starten sie mit einer jährlichen Produktionskapazität von 400 Megawatt (MW) vergleichsweise bescheiden. Sie streben jedoch Zug um Zug eine Erweiterung auf bis zu fünf GW an. Freiberg produzierte zuletzt 600 MW im Jahr.

Rekordinvestitionen in eine grüne Energieversorgung beflügeln die Solarnachfrage

ISE-Mann Rentsch rügt die deutsche Tatenlosigkeit als „Trauerspiel“. Verantwortlich für die Lethargie ist Bundeswirtschaftminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker redet zwar viel über die dringend notwendige Klima- und Energiewende, belässt es bisher aber vor allem bei Worten. So ist es nur zwangsläufig, dass Deutschland im aktuellen Ranking des World Economic Forums (WEF), das misst, wie weit die Staaten weltweit mit der Schaffung einer CO2-freien Energieversorgung voran gekommen sind, gerade einmal Platz 18 belegt – noch hinter Uruguay und Litauen. (siehe Grafik). Von wegen Vorreiter.

Deutschland abgeschlagen Welche Länder weltweit beim Übergang zu einer nichtfossilen Energieversorgung am weitesten sind;
SP misst die Systemleistung, TR den Grad der Vorbereitung Quelle: World Economic Forum

Vergangenes Jahr investierte die Welt erstmals mehr als 500 Milliarden US-Dollar in eine grüne Energieversorgung. Nicht nur die florierende Nachfrage schaffe gute Rahmenbedingungen für eine Rückkehr Deutschlands unter die großen Solarproduzenten, meint Rentsch. Derzeit liegt die Herstellung zu 90 Prozent in chinesischer Hand. Bei Fertigungkosten von inzwischen weniger als 20 Eurocent je Watt Spitzenleistung fielen die Transportkosten aus dem fernen China immer stärker ins Gewicht, argumentiert er. Sie machen derzeit etwa ein Zehntel der Gesamtkosten eines Moduls aus.

Und noch einen Trumpf hält Europa Rentsch zufolge in der Hand: Eine neue Generation an hier entwickelter Leistungselektronik, die mehr Watt und Volt aus jeder Zelle herauskitzelt. Zeit also, die Chancen zu ergreifen.

Von Dieter Dürand

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