Tausende Kilometer Lärmschutzwände bergen ungeahnten Energieschatz

Lärmschutzwände entlang von Autobahnen oder Bahnstrecken bieten ein enormes Potential zur Montage von Solarmodulen. Die so gewonnene Energie könnte den Strombedarf einer Millionenstadt decken.

Lärmschutzwände mit Solaranlagen Ungehobene Energieschätze (Markus Distelrath/Pixabay)
Lärmschutzwände mit Solaranlagen Ungehobene Energieschätze (Markus Distelrath/Pixabay)

Entlang deutscher Bahnstrecken, Bundesstraßen und Autobahnen sind 5 800 Kilometer Lärmschutzwände verbaut. Über 4 000 Kilometer Lärmschutzbauwerke stehen an Straßen, 1 800 Kilometer an Bahngleisen. Mit Solarmodulen bestückt könnten sie Jahr für Jahr 1 500 Gigawattstunden Strom liefern. Das reicht für die Versorgung von 450 000 Haushalten. Jetzt gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, diesen Schatz zu heben. „Wenn wir geeignete Lärmschutzwände und -wälle entlang der deutschen Autobahnen und Bahngleise mit Photovoltaik-Modulen ausstatten, könnten wir pro Jahr bis zu einer Millionen Tonnen CO2 einsparen. Damit könnten wir einen substanziellen Beitrag zu den nationalen Klimaschutzzielen leisten“ ,kommentierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Ergebnisse einer vor Tagen veröffentlichten Untersuchung.

Der Deutsche Wetterdienst hatte im Rahmen des Expertennetzwerks des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zusammen mit dem Eisenbahn-Bundesamt und der Bundesanstalt für Straßenwesen eine umfassende Analyse durchgeführt. Dazu wertete der Deutsche Wetterdienst Satellitendaten zur Intensität der Sonneneinstrahlung, der Ausrichtung sowie der Neigungswinkel an jedem Lärmwall-Abschnitt aus.

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Nicht alle sind geeignet

Entlang von Autobahnen und anderen Fernstraßen gibt es verschiedene Arten von Lärmschutzträgern. Etwa 80 Kilometer machen die Steilwälle aus, das sind Metallgestelle, die mit Steinen gefüllt sind. Die Länge aller Lärmschutzwände beträgt rund 2 500 Kilometer. Sowohl Steilwälle wie Lärmschutzwände stehen vertikal zur Straße. Wegen Steinschlag, Verschattung, Statik und Lärmschutzerfordernissen können nicht an allen Stellen PV-Anlagen montiert werden. Deshalb haben die Experten einen Abschlag von 90 Prozent vorgenommen.

Quer bringt mehr

Die weitgehende Vertikalität der montierten Paneele schließt allerdings – anders als vielfach angenommen – hinreichenden Stromertrag nicht aus. Zum einen steht die Sonne zu bestimmten Tageszeiten recht flach. Zum anderen sind Solarmodule inzwischen weitaus weniger von optimaler Ausrichtung abhängig als zu den Frühzeiten der Photovoltaik. In amerikanischen oder asiatischen Metropolen sind infolge dessen zunehmend Bürohäuser zu sehen, deren Fassaden (vertikal) mit Solarzellen bedeckt sind. Auch in der Agrophotovoltaik stehen die Paneele häufig aufrecht. Hinzu kommt, dass vertikale Paneele dann reichlich Strom produzieren, wenn der Großteil des – auf die Mittagssonne ausgerichteten – Solarparks weniger Elektrizität erzeugt. Somit fungieren sie gleichsam als Lückenbüßer der Solarstromerzeugung.

Großer Beitrag

Frank Kaspar, Koordinator des Themenfelds „Erneuerbare Energien“ im Expertennetzwerk und Leiter der Hydrometeorologie des Deutschen Wetterdienstes, sieht das größte Potenzial bei den Lärmschutzwällen. Diese haben meist einen Neigungswinkel von etwa 30 Grad. Kaspar: „Das ist optimal für die Sonneneinstrahlung und verbessert auch die statische Tragfähigkeit.“ Solche Wälle gibt es entlang der Autobahnen auf rund 1 300 Kilometern. Sie erinnern vom Aussehen her an Deiche. Oft sind sie mit Gras bewachsen. Diese Lärmschutzwälle haben rechnerisch ein jährliches Ertragspotenzial von rund 1 200 Gigawattstunden, wenn 50 Prozent ihrer Fläche mit PV-Anlagen bebaut werden. Erhöht man die Belegung mit Photovoltaikmodulen auf 60 Prozent, sind es rund 1 400 Gigawattstunden, bei einer Belegung von 70 Prozent sogar 1 695 Gigawatstunden.

Die Forscher haben ihre Annahmen bewusst konservativ gehalten. Sie gehen davon aus, dass die lärm- und betriebstechnischen Eigenschaften der Bauwerke an vielen Stellen einer solartechnischen Nutzung entgegen stehen. „Das Ergebnis ist trotzdem erfreulich und zeigt, welchen großen Beitrag diese bislang ungenutzten Flächen zur Energiewende leisten können“, betont Kaspar. Wichtig sei, dass künftig bei Neubauten von Schallschutzwänden „die Photovoltaik von Anfang an mitgedacht“ werde.

Mehr: bmdv-expertennetzwerk


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