In den Tiefen der Erde entsteht permanent neue Energie: geologischer Wasserstoff. Ist dieser sogenannte weiße Wasserstoff eine sinnvolle Alternative zu den bisher genutzten H₂-Quellen?
Er hat viele Namen. Mal heißt er goldener, mal weißer, mal geologischer Wasserstoff. Andere nennen ihn natürlichen oder geogenen Wasserstoff. Von den vielen anderen Wasserstoffen, wie grünem, blauem oder grauem unterscheidet ihn die Herkunft: Er ist nicht menschengemacht. Geologischer Wasserstoff kommt wie Erdgas oder -öl aus den Tiefen der Erde. In der Regel reichen allerdings schon Bohrungen von 1 000 bis 1 500 Meter für die Förderung. Zum Vergleich: Für die Öl- oder Gasförderung müssen die Driller meist 2 500 bis 4 000 Meter tief bohren.
Und noch eins unterscheidet Lagerstätten natürlichen Wasserstoffs von Öl- oder Gasvorkommen: Geologischer Wasserstoff bildet sich durch geochemische Prozesse immer wieder neu. Zwei Prozesse sorgen dafür, dass weißer Wasserstoff quasi unerschöpflich bleibt:
- Bei der Serpentinisierung reagiert ultrabasisches, eisenhaltiges Gestein unter Druck und Hitze mit Wasser. Dabei wird Wasserstoff frei. Vor allem in Gebirgen kommt es zu diesen Prozessen.
- Seltener ist die Entstehung natürlichen Wasserstoffs durch Radiolyse. Dabei spaltet natürlich vorkommende radioaktive Strahlung Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff auf.
Experten gehen davon aus, dass in tieferen Schichten der Erde wie im Erdmantel oder im Erdkern Wasserstoff in großen Mengen vorkommt. Doch sind diese Schichten wegen der großen Tiefen und Temperaturen technisch nicht erschließbar. Berechnungen amerikanischer Forscher zufolge könnte jedoch allein die Erdkruste bis zu 6,2 Billionen Tonnen Wasserstoff enthalten. Würden nur zwei Prozent der erreichbaren Ressourcen gefördert, könnte – den Foschern zufolge – der weltweite Wasserstoffbedarf für zweihundert Jahre gedeckt werden. Vollständig würde diese Energiequelle nie erschöpfen.
Besser als industrieller Wasserstoff
Im Gegensatz zu künstlich erzeugtem Wasserstoff ist geologischer Wasserstoff eine primäre Energiequelle. Industrieller Wasserstoff dient dagegen nur zur Energiespeicherung. Seine Herstellung verbraucht deutlich mehr Energie als das Endprodukt enthält. Der Vorteil von Wasserstoff, ganz gleich, ob industriell oder natürlich: Bei der Verbrennung entsteht kein CO2, sondern nur Wasserdampf.
Das Energiegas ist zwar farblos. Doch werden zur Veranschaulichung den verschiedenen Herstellungsverfahren Farben zugeordnet.
- Grauer Wasserstoff entsteht, wenn Erdgas bei großer Hitze in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid (CO2) zerfällt. Dieser graue Wasserstoff ist wegen seiner CO2– und Energiebilanz umstritten.
- Blauer Wasserstoff wird wie grauer Wasserstoff hergestellt. Aber das dabei anfallende CO2 wird aufgefangen.
- Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse erzeugt – mit Strom aus erneuerbaren Energien.
- Pinker Wasserstoff entsteht wie grüner Wasserstoff. Allerdings stammt der Strom aus Kernkraftwerken.
Wohlfeile Energie
Wasserstoff (Hydrogen) spielt wegen seiner hohen Energiedichte eine große Rolle bei der Klimawende. Flugzeuge, LKW oder Schiffe lassen sich mit Batterien kaum wirtschaftlich betreiben. Ausserdem dient Hydrogen als Prozessgas in der Stahlherstellung oder der Chemie.
Geologischer Wasserstoff hat einen großen Vorteil: Er ist billig. Fachleute gehen davon aus, dass die Kosten für die Produktion weißen Wasserstoffs nur ein Fünftel der Kosten für grünes Hydrogen betragen. Die kombinierte Nutzung von Erdwärme und Wasserstoffförderung könnte die Kosten noch weiter senken.
Vorkommen auch in Deutschland
Noch liegen Erforschung und Erschließung der geologischen Wasserstoffreserven in den Anfängen. Das spanische Montan-Unternehmen Helios Aragon plant Bohrungen in den Pyrenäen und in Polen. Auch in Mali, an der Ostküste der USA und im mittleren Westen wurden größere Vorkommen entdeckt. Im französischen Grenzgebiet zum Saarland stießen Geologen der Universität Nancy vor zwei Jahren bei der Suche nach Methan zufällig auf eine Wasserstofflagerstätte von geschätzt 60 Millionen Tonnen. Und ein Team der Universität Grenoble entdeckte im vergangenen Jahr eine ergiebige Wasserstoffgasquelle in einer albanischen Chromit-Grube nahe der Hauptstadt Tirana.
Auch in Deutschland vermuten Erdforscher Vorkommen. Ein Team um den Geologen Jürgen Grötsch vom GeoZentrum Nordbayern der Universität Erlangen-Nürnberg erkundet zurzeit Gebiete in Nordbayern. An einigen Stellen, wie zum Beispiel in den Haßbergen bei Bad Kissingen zeigten die Geräte der Forscher Höchstwerte an. Die Universität will nun ein Startup gründen, um die Nutzung des weißen Wasserstoffs voranzutreiben.
Mehr: Frankfurter Rundschau
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