Wer will schon verstümmelte Igel? Forscher wollen Mähroboter igelsicher machen

Weder die Hersteller noch die Besitzer von Mährobotern wollen tote oder verstümmelte Igel. In diesen Tagen diskutieren Experten in Berlin, wie eine Koexistenz zwischen Mähroboter und Igel möglich ist.

Junges Stachelwesen Dumme Mähroboter produzieren verstümmelte Igel (Erika Hartmann/Pixelio.de)
Junges Stachelwesen Dumme Mähroboter verstümmeln Igel (Erika Hartmann/Pixelio.de)

Mähroboter sind im Trend. Statt unter ohrenbetäubendem Lärm den Rasen zu mähen, setzten viele Gartenfreunde lieber den automatischen Helfer ein. Doch diese Bequemlichkeit bringt vor allem für Igel oftmals den grausamen Tod. Denn die Stachelwesen fliehen nicht vor Feinden. Sie rollen sich zusammen. Und verlassen sich auf den Schutz ihres Stachelkleides. Treffen sie nicht auf Katze oder Marder, sondern auf Mähroboter, endet die Begegnung oft mit grausamen Verstümmelungen.

In Berlin veranstaltet das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zurzeit gleich zwei Tagungen zum Thema Igelschutz. Ein Team des Leibniz-IZW um die Igelexpertin Anne Berger hat in der Vergangenheit umfassende Untersuchungen zu Schnittverletzungen von Igeln durchgeführt. Die Forscher analysierten unter anderem 370 deutschlandweit gemeldete Fälle. Sie stellten dabei fest, dass die Fälle sich gleichmäßig über die Wochentage verteilten. „Dies ist ein Hinweis darauf, dass oft Mähroboter Ursache dieser Verletzungen sind“, sagt Berger. Denn diese Geräte seien die einzigen, die legal auch sonntags benutzt werden dürfen. “, sagt Berger. Für knapp die Hälfte der gefundenen und gemeldeten Tiere (47%) führten die Verletzungen zum Tod.

Immer mehr verletzte Igel

Zudem berichten Igel-Auffangstationen von einem stetigen Anstieg der Fallzahlen verletzter Meckis. Die Tiere suchen bei Verletzungen durch Roboter den Schutz nahe gelegener Hecken oder Büsche, um sich dort vor Beutejägern zu verstecken. Allerdings können auch leichte Schnittverletzungen zum Tod führen. Denn die offenen Wunden entzünden sich und locken Fliegen zur Ablage von Eiern an.

Angesichts der sinkenden Bestandszahlen handele es inzwischen um ein wachsendes Artenschutzproblem. „Wir vermuten eine hohe Dunkelziffer von verletzten oder verstorbenen Igeln, die gar nicht erst gefunden oder gemeldet werden“, sagt Berger. Da Igel nachtaktive Tiere sind, empfiehlt die Wissenschaftlerin nachts auf den Einsatz der Mähroboter zu verzichten. Inzwischen haben bereits einige Kommunen den Einsatz von Mährobotern während der Nacht verboten. Auch die Hersteller bieten inzwischen Roboter an, deren Steuerung eine nächtliche Zwangspause zulässt.

Künftig Norm für Mähroboter

Um die Kollisionen zwischen den Stachelrittern und Maschine präzise zu erforschen, hat das Team um Berger zusammen mit der Crashtest-Spezialfirma CTS und dem Computermagazin c’t Igel-Dummies und standardisierte Tests entwickelt. Die Attrappen sollen für das menschliche Auge nicht unbedingt wie die stachelingen Säugetiere aussehen. Wichtiger ist, dass sie bei der Begegnung mit einem Mähroboter identisch reagieren. Die Dummies verfügen über ein internes Skelett aus dem 3D-Drucker. Sie können auf artspezifische Körpertemperaturen erwärmt werden. Und sie haben unterschiedliche Größen und Formen, je nachdem, ob sie ein eingerolltes oder nicht eingerolltes Tier mimen sollen.

Künftig sollen sie in Tests bei sämtlichen Modellen unabhängig von deren Sensorik verwendet werden. Damit könnten die Attrappen, ganz gleich, ob die Mähroboter mit Laser, Ultraschall, optisch, Wärmebild oder Federkontakten im Stoßfänger arbeiten, zuverlässig prüfen, inwieweit die Modelle Igel erkennen.

Berger und ihre Kolleginnen und Kollegen von CTS und c’t arbeiten auf die Einführung einer SI-DIN-Norm hin, welche standardisierte Crashtests für Mähroboter mit den Dummies verpflichtend für alle Mähroboter machen würde. Diese Tests würden zeigen, ob die Mähroboter in der Lage sind, die stacheligen Tiere wahrzunehmen. Und ob sie sofort zu Ausweichmanövern oder Notbremsungen fähig sind.

Schutz für Igel sichert Arbeitsplätze

Den Herstellern ist das Schicksal der Meckis keinefalls gleich. Immerhin handelt es sich um einen globalen Markt, der im vergangenen Jahr ein Volumen von 1,5 Milliarden Dollar erreichte. Bis zum Jahr 2029 sollen die jährlichen Umsätze laut Marktforschungsinstitut MarketResearch auf 2,9 Milliarden Dollar anwachsen. Das jährliche Wachstum des Marktes beträgt zwölf Prozent. Doch solange Gartenfreunde befürchten, mit dem Kauf eines Mähroboters Leib und Leben ihrer stacheligen Gartenmitbewohner zu gefährden, verzichten viele auf den Kauf.

Aufschlitzen, Enthaupten, Abtrennen von Gliedmaßen

Berger hatte bereits 2021 zusammen mit der dänischen Expertin Sophie Rasmussen 18 Fabrikate auf Igelverträglichkeit getestet. Das dänisch-deutsche Team hatte dazu Igelkadaver Mährobotern ausgesetzt. Kein Modell war in der Lage, Igel ohne Berührung zu erkennen. Elf Fabrikate fuhren über den Igel hinweg und führten ihm Verletzungen zu – darunter Abschneiden von Gliedmaßen, Bauchaufschlitzen oder Enthauptung. Erfreulich: Ein Modell eines großen deutschen Herstellers war trotz guter Schnittleistung am Rasen nicht in Lage, Igel ernstlich zu verletzen.

Mehr: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung

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