Zweites Leben für Windräder: Rotorblätter zu Asphalt, Beton – oder Gummibärchen

Es ist eines der beliebtesten Argumente der Windkraftgegner: Die Rotorblätter alter Windräder aus Glasfasern und Kunstharz seien Sondermüll. Dieser Abfall vermülle für hunderte Jahre den Planeten. Stimmt das?

Rotorblätter vor der Montage Auch nach dem Ableben wertvoll (Markus Distelrath/Pixabay)
Rotorblätter vor der Montage Auch nach dem Ableben wertvoll (Markus Distelrath/Pixabay)

Das Arbeitsleben eines Windrades währt etwa zwanzig Jahre. Doch was passiert danach mit den gigantischen Türmen und den Rotorblättern? Die Masten sind das geringere Problem. Sie machen zwar bis zu 90 Prozent der Masse aus. Doch sie bestehen meist aus Beton und Stahl. Beide Materialien sind leicht wieder zu verwerten. Anders verhält es sich mit den Rotorblättern. Sie bestehen aus einem Verbundstoff von Glasfaser und Kunstharz. Verbundstoffe bereiten den Abfallverwertern generell Kopfzerbrechen. Sie sind nur mit großem Aufwand zu trennen.

Vielfach werden die alten Rotorblätter einfach nur endgelagert – ohne große Bearbeitung. So liegen im idyllischen US-Gebirgsstaat Wyoming auf einem Rotorblatt-Friedhof bei Caspar 870 Rotorblätter, in der Mitte per Diamantschneider quer durchtrennt, in der Erde. Ob sie je wieder ausgebuddelt werden, ist fraglich. In Europa fallen Jahr für Jahr etwa 4 000 Rotorflügel an. Laut Bundesumweltamt addiert sich das Material ausgedienter Rotorblätter bis zum Ende des Jahrzehnts auf 20 000 Tonnen. Für die Dreißigerjahre geht das Amt von weiteren 50 000 Tonnen aus.

Ende im Drehofen

Jetzt hat eine Jungfirma namens Regen Fiber aus Iowa ein Verfahren entwickelt, um aus den ausgedienten Windflügeln Verstärkungsfasern herzustellen. Die Mikrofasern werden Beton beigemischt und stabilisieren Betondecken, Brücken oder Fundamente. Der so gewonnene Beton zeichnet sich durch höhere Zugfestigkeit, Frostfestigkeit und Zähigkeit aus. Je nach Feinheit und Struktur eignet sich das Material der alten Rotorblätter auch für die Stabilisierung von Asphalt. Eine Protoanlage hat während der vergangenen zwei Jahre erfolgreich Mikrofasern produziert. Noch in diesem Jahr soll in der Nähe der Großstadt Cedar Rapids eine neue, größere Anlage in Betrieb gehen. Sie soll pro Jahr bis zu 30 000 Tonnen Rotorblätter verarbeiten.

Einfacher macht es sich das Entsorgungsunternehmen Neocomp. Die Firma aus Bremen zerschreddert die Flügel, so dass sie Zementwerken als Brennstoff dienen. Damit sparen die Zementbrenner nicht nur Öl, Gas oder Kohle ein. Die Asche dient auch als Ersatz von Sand am Bau. Tausend Tonnen ausgedienter Rotorblätter ersetzen 450 Tonnen Kohle, 200 Tonnen Kreide und 200 Sand als Zuschlagsstoffe.

Fraunhofer Materials geht einen anderen Weg. Das Darmstädter Forschungsinstitut entwickelt ein Pyrolyse-Verfahren, bei dem der Verbundstoff unter Ausschluss von Sauerstoff eingeschmolzen wird. Ergebnis des Prozesses sind ein brennbares Gas zum Heizen der Recycling-Anlage und ein Pyrolyse-Öl. Aus Letzterem lassen sich Kunststoffe herstellen.

Siemens-Gamesa, einer der größten Windradhersteller der Welt, versucht hingegen, das Problem schon bei der Herstellung der Rotorblätter zu lösen. Die Ingenieure wollen die Zusammensetzung des Verbundstoffes so verändern, dass sie sich durch Hinzufügen einer schwachen Säure wieder trennen lassen.

Energiedrinks und Gummibärchen

Besonders originell ist der Ansatz von Wissenschaftlern der Michigan State University (MSU). Sie sehen die ausgedienten Flügel als Ausgangsstoff für Computergehäuse, Windschutzscheiben oder Gummibärchen. Kohlenstoff-Atome von Mais oder Gras, so MSU-Forscher John Dorgan, unterschieden sich nicht von Kohlenstoff-Atomen fossiler Ausgangsstoffe. Entsprechend haben die Wissenschaftler Prozesse entwickelt, an deren Anfang Rotorblätter und an deren Ende Gummibärchen oder Windschutzscheiben stehen. Auch Energie-Drinks haben die US-Forscher bereits aus Bestandteilen alter Rotorblätter hergestellt. Schade: Weder die Gummibärchen noch die Sportgetränke á la Windkraft sind bislang im Kiosk erhältlich.

Mehr: Efahrer.com; Scientific American

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