Konzernboss klagt über zu viel Solarstrom und Überlastung der Netze

Allein im ersten Halbjahr stieg die Kapazität der Solarkraft in Deutschland entsprechend der Leistung von sieben Atomreaktoren. Die Stromversorger befürchten daher die Überlastung der Netze durch zu viel Solarstrom.

Überlandtrassen Stress im Netz durch zu viel Solarstrom (www.ceus-design.de)
Überlandtrassen Stress im Netz durch zu viel Solarstrom (www.ceus-design.de)

Die Stromerzeugung durch Erneuerbare ist in Deutschland in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um neun Prozent gewachsen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023. Der Anteil der Erneuerbaren betrug im ersten Halbjahr dieses Jahres 57 Prozent des Stromverbrauchs. Vor allem die Solarkraft legte zu: Mit 7,5 Gigawatt kam eine zusätzliche Kapazität auf den Markt, die der Leistung von sieben Atomreaktoren entspricht. Doch zu viel Solarstrom könnte die Netze überstrapazieren.

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Bereits im vergangenen Jahr hatte sich der Zubau von Solaranlagen im Vergleich zum Vorjahr um fast 14 Gigawatt verdoppelt. Inzwischen beträgt die installierte Solarleistung über 90 Gigawatt. Damit ist das Ziel der Bundesregierung von 88 Gigawatt bis Ende 2024 bereits übertroffen.

Zu viel Solarstrom

Doch der erfreuliche Zuwachs macht Versorgern und Netzbetreibern zunehmend Sorge. Inzwischen fordern nicht nur die Bosse der Stromkonzerne, den Ausbau – zumindest in einigen Regionen – zu drosseln. Die Probleme, die der schnelle Zubau mit sich bringt, beschrieb Eon-Chef Leonhard Birnbaum am Mittwoch anläßlich der Vorstellung der Halbjahreszahlen.

So betrage der Stromverbrauch im Netzgebiet der Eon-Tochter Edis in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zu den Spitzenzeiten etwa zwei Gigawatt. In dem Gebiet beträgt die Spizenleistung der dort installierten Solaranlagen jedoch 14 Gigawatt. Angekündigt seien die Installation von zusätzlichen 190 Gigawatt Solarkapazität. Werde nur ein kleiner Teil der angekündigten Kapazität gebaut, liefere die Region 25-mal so viel Strom, wie zu Spitzenzeiten verbraucht werde. Das Volumen reiche, um alle deutschen Haushalte mit Strom zu versorgen.

Ende der Förderung

Birnbaum stellt daher die Frage, ob die Politik nicht über ein Ende der Subventionierung nachdenken solle. Tatsächlich mehren sich auch unter Politikern die Stimmen, die ein Auslaufen der Subventionierung befürworten. Erst vor wenigen Tagen hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dringenden Handlungsbedarf in der Sache angemeldet. Die Förderung sei in der Breite nicht mehr nötig, weil sich die Solarenergie auch ohne Subvention rechne. “Das muss schnellstmöglich beendet werden“, sagte der
Bundesfinanzminister in einem Interview der Funkemediengruppe. Es reichten Förderungen wie die existierende Befreiung von der Mehrwertsteuer für Kleinanlagen auf dem Dach.

Zwar war das Ende der Förderung ohnehin geplant. Doch sollte die Subventionen erst mit dem Kohleausstieg auslaufen. Jetzt fordert Lindner ein Ende deutlich vor dem Kohleausstieg. Der war ursprünglich für das Jahr 2038 geplant, soll aber nach Möglichkeit auf 2030 vorgezogen werden.

Dumme Netze

Die drohende Netzüberlastung ist eine Folge der starren Verbrauchsprofile. Unsere Stromversorgung ist von einem intelligenten Netz weit entfernt. Sogennante Smart Meter, die Lastverschiebung erlauben, sind die Ausnahme in Deutschland. Nur wenige Verbraucher verfügen über Einrichtungen oder nutzen Tarife, die es ihnen ermöglichen, Preistäler nachts oder während wind- und sonnenreicher Stunden zu nutzen. Auch die privaten Stormspeicher, die zunehmend installiert werden, sind nicht hinreichend mit dem Netz verkoppelt.

Einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zufolge gibt es für Betreiber privater Batteriespeicher kaum Anreize, die Speicher netz- oder marktorientiert einzusetzen. Weder die Einspeisevergütung, noch die gängigen Stromtarife setzen entsprechende Preissignale. Die Vergütungen immer gleich, unabhängig vom aktuellen Marktpreis.

Inzwischen versuchen Startups wie Tibber, Octopus oder Awattar, das starre Tarifgefüge aufzubrechen. Sie ermöglichen es zum Beispiel E-Fahrern, bevorzugt während der Zeiten mit hohem Stromangebot zu laden und damit Preistäler zu nutzen. Nebenbei stabilisieren die flexiben Kunden mit ihren kontrazyklischen Verbrauch das Stromnetz.

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