Streik gegen Tesla in Schweden – Wann folgen die Deutschen?

“Irre” findet Tesla-Chef Elon Musk den Streik in Schweden. Inzwischen haben sich acht Gewerkschaften dem Streik angeschlossen. Analysten erwarten eine weltweite Solidarisierungswelle.

Vergeht ihm bald das Lachen? Streik in Schweden könnte sich global ausweiten (Tumisu/Pixabay)
Vergeht ihm bald das Lachen? Streik in Schweden könnte sich global ausweiten (Tumisu/Pixabay)

Der Streik der schwedischen Gewerkschaft IF Metall gegen Tesla eskaliert. Begonnen hatte er am 27. Oktober. Zunächst hatten nur 130 Tesla-Beschäftigte die Arbeit niedergelegt. Dann folgten 470 Mechaniker in den Service-Werkstätten. Inzwischen haben sich acht weitere Gewerkschaften dem Steik angeschlossen. Seit Montag bestreiken auch die Postler sämtliche Sendungen für Tesla. Die Folge: Tesla erhält keine Nummernschilder für die Fahrzeuge, die an Kunden ausgeliefert werden. Schweden steht wie ein Mann gegen Tesla: Die Docker entladen die Tesla-Modelle nicht mehr aus den Schiffen, die Elektriker warten Teslas Ladestationen nicht mehr. Putzkolonnen lassen die Büros und Werkstätten des E-Autobauers verschmutzen.

Bislang hatte Elon Musk den Streik nicht kommentiert. Doch gestern schickte er einen Tweet hinaus: “Das ist irre.” Musk ist nicht bekannt für Gewerkschaftsfreundlichkeit. In den USA wurden Mitarbeiter, die eine Gewerkschaftsgruppe gründen wollten, gefeuert. Auch in Deutschland macht Tesla den Gewerkschaften das Leben schwer. Doch die Schweden wollen nicht klein beigeben.

Tesla hatte die Gewerkschaft IF Metall bei Verhandlungen um einen Tarifvertrag fünf Jahre lang hingehalten. Die jetzigen Regelungen für sind laut Gewerkschaft für die Arbeiter und Angestellten deutlich schlechter als die tarifvertraglich vorgesehenen – und als die in Schweden üblichen Bedingungen. So liegen die Löhne unter dem Durchschnitt der KFZ-Vereinbarung. Die jährliche Lohnerhöhung zwecks Inflationsanpassung ist nicht garantiert. Es gibt keine Kurzarbeitregelung. Die Möglichkeit der Teilzeitrente existiert nicht. Das Sozialversicherungspaket ist nicht vollständig.

Wie früher in Deutschland

Das Sozialmodell funktioniert in Schweden ähnlich wie früher in Deutschland. In Schweden gibt es keinen Mindestlohn. Nicht Staat und Regierung setzen Löhne und Arbeitsbedingungen fest, sondern allein die Sozialpartner. Alles andere widerspricht dem schwedischen Gesellschaftsverständnis. “Der Tarifvertrag ist das Rückgrat des schwedischen Modells”, heißt es auf der Homepage der IF Metall. Die Gewerkschaften weisen aber auch ausdrücklich auf die Vorteile für Arbeitgeber hin: Garantierter Betriebsfrieden, der die besten Arbeitkräfte anzieht. Während der Vertragszeit darf niemand streiken.

Die Argumentation der IF Metall lässt sich nicht von der Hand weisen. Die Folge von Tarifverträgen und Friedenspflicht ist, dass die Schweden nur selten die Arbeit niederlegen. Zum Vergleich: Die Streikhäufigkeit selbst im notorisch streikarmen Deutschland war im vergangenen Jahrzehnt mehr als achtmal so hoch wie in Schweden. In Frankreich fielen pro tausend Beschäftigte sogar über sechzigmal so viele Ausfalltage wie in Schweden an.

Ausstände auch Deutschland und den USA?

Als Markt ist Schweden für Tesla zwar vergleichsweisen klein. Aber der Streik könnte sich global ausweiten. Laut Financial Times erwarten Analysten, dass sich bald Gewerkschaften in anderen Ländern anschliessen. Die Bereitschaft ist da. Denn Elon Musk hat in der Vergangenheit nichts ausgelassen, um die Gewerkschaften zu behindern. Vor allem in Deutschland würde Tesla viel riskieren. Drei Viertel aller Tesla-Stromer, die in Europa verkauft werden, kommen aus Grünheide bei Berlin. In dem Werk beschäftigt Tesla 11 000 Mitarbeiter. Doch der Ton gegenüber der IG Metall und den Mitarbeitern im Werk ist rüde. Wie das Handelsblatt berichtete, beschimpfte Werksleiter Andre Thierig in einer Betriebsversammlung Teile der Belegschaft als faul und unehrlich.

Wie in anderen Tesla-Werken klagen auch in Grünheide Mitarbeiter über mangelnde Arbeitssicherheit und hohe Arbeitsverdichtung. Die Folge sind hoher Krankenstand und Unfälle. Stickeraktionen der IG Metall gegen diese Zustände wurden von der Werksleitungen mit Kündigungsdrohungen beantwortet.

Die IG Metall verliert allmählich die Geduld mit dem amerikanischen Autobauer. Bereits in ihrer Antrittsrede im Oktober hatte die frisch gewählte IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner mit ausdrücklichem Bezug auf Tesla gewarnt: “Wir werden keine gewerkschaftsfreien Zonen zulassen.” Erste Erfolge sind sichtbar. In einer Aktion bekannten sich über tausend Beschäftigte der sogenannten Gigafactory zur IG Metall: “Wir sind drin.”

UAW kann vor Kraft kaum laufen

Sollten deutsche oder amerikanische Gewerkschafter streiken, wird es für Musk eng. Shawn Fain, Chef der US-Automotive-Gewerkschaft UAW, rief dem reichsten Mann der Welt kürzlich zu: “Tesla, wir kommen!” Die UAW ist so stark wie selten zuvor. Allein im vergangenen Jahr konnte sie ihre Mitgliederzahl um drei Prozent erhöhen.

Anfang des Monats hatte sie nach einem sechswöchigen Streik bei den drei Großen, Ford, General Motors und Stellantis, bis zu 33 Prozent mehr Lohn durchgesetzt. Allein für General Motors steigen die Personalkosten in den kommenden viereinhalb Jahren dadurch um sieben Milliarden Dollar. Umfragen belegten: Der Streik war in der amerikanischen Bevölkerung recht populär. Auch US-Präsident Joe Biden machte aus seiner Sympathie für die Streikenden keinen Hehl.

Musk kann die Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften nur verlieren. Vor allem Schwedens Gewerkschaften haben einen langen Atem. In Schweden sind 70 Prozent der abhängig Beschäftigten organisiert. Die Streikkasse der IF Metall sind mit mehr als zehn Milliarden Schwedischen Kronen, umgerechent etwa 860 Millionen Euro, gut gefüllt. Jesper Petterson, Sprecher der IF Metall, macht klar: “Wir sind auf einen längeren Konflikt gut vorbereitet.” Und: “Wir verteidigen hier ein Gesellschaftsmodell.” Die Solidarisierungswelle in den Schwestergewerkschaften zeigt, dass das Anliegen der Streikenden von weiten Teilen der schwedischen Bevölkerung mitgetragen wird.

Marken- und Börsenwert gefährdet?

Musk hatte den schwedischen Metallern ausrichten lassen: “Verträge mit Gewerkschaften passen nicht zu unserem Businessmodell.” Die Schweden meinen hingegen, dass tarifvertragsfreie Betriebe nicht zum schwedischen Modell passen. Elon Musk gilt jedoch als beratungsresitent. Mögliche Auswirkungen auf den Marken- und Börsenwert von Tesla scheinen ihm gleichgültig zu sein. Geld hat er genug. Doch für viele Tesla-Aktionäre gilt das nicht. Und nicht zuletzt könnte auch Druck von Verbrauchern kommen, wenn sie zu lange auf die Auslieferung ihres Teslas warten.

Mehr: Neue Zürcher Zeitung, workzeitung.ch

Lothar Schnitzler

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