Penny schlägt Umweltkosten auf übliche Lebensmittelpreise: Wertvolle Aufklärung oder bloße PR-Kampagne?

Der Discounter bietet ausgewählte Lebensmittel mit Preisaufschlägen an, die die unberücksichtigten Umweltkosten widerspiegeln. Ein Beitrag zur Aufklärung und Verhaltensänderung bei den Verbrauchern oder reine PR? Ein Kommentar von Reinhold Böhmer.

Warenkorb zu wahren Kosten: Vom Würsten bis zum Maasdamer-Käse – Penny bietet ausgewählte Lebensmittel auch zu Preisen an, die die üblicherweise unberücksichtigten Umweltkosten enthalten (Foto: Penny)

Normalerweise kosten 300 Gramm Maasdamer von Lindenhof bei Penny 2,49 Euro. Doch würde man die unberücksichtigten Kosten für Wasser von zwölf Cent, die durch die Herstellung hervorgerufenen Schäden durch den Klimawandel von 84 Cent, die Abnutzung des Bodens im Wert von 76 Cent sowie die verursachten Gesundheitsschäden in Höhe von 63 Cent hinzurechnen, müsste die gleiche Packung Käse 4,84 Euo kosten, also 2,35 Euro mehr, sprich: fast doppelt so viel. Zu einem solch erhöhten Preis bietet der Discounter nicht nur Maasdamer von Lindenhof an. Auch andere ausgewählte Lebensmittel, vom Wiener Würstchen bis zum Mozarella, können die Verbraucher bei der Tochter des Kölner Einzelhandelsriesen REWE eine Woche lang zu jenen “wahren Preisen” erwerben, so Penny, die auch die überlicherweise unterschlagenen Kosten des Umweltverbrauchs enthalten. Errechnet wurden diese Kosten von der Universität Greifswald und der Technischen Universität Nürnberg. „Wir müssen uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln“, so Penny-Chef Stefan Görgens.

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Der Widerhall der Aktion ist gigantisch. Die “Tagesthemen” der ARD widmeten ihr sogar den Kommentar, in dem die Hauptstadt-Korrespondentin Nadine Bader vom Bayrischen Rundfunk das sechstätige Preissignal des Disounters “ganz klar” als Aktion geißelte, in dem es dem Unternehmen “vor allem” darum gehe, “das eigene Image aufzupolieren”. Der Discounter sei damit “fein raus, das schlechte Gewissen bleibt bei den Kunden.” Auch die Verbraucherorganisation Food Watch bezeichnet die Aktion als “reinen PR-Gag”. Für den Bauernverband ist der Coup gar “vor allem ein auf Kosten der Bauern ausgetragenes Greenwashing-Projekt eines Discounters, der sich ansonsten wenig für faire Bepreisung interessiert”, so Generalsekretär Bernhard Krüsken. Anstelle solcher aktivistischer Effekthaschereien sollte das Unternehmen Penny lieber die tatsächlichen Leistungen der heimischen Landwirtschaft anerkennen, wertschätzen und vor allem angemessen entlohnen.

Doch bei tiefgründigerer Betrachtung ist die Kampagne durchaus mehr. Denn ob PR-Gag oder Aufmersamkeitsgeheische, immerhin ist Penny der erste Lebensmittelhändler, der den Kunden zumindest vor Augen führt, welche Kosten durch die üblichen Preise nicht berücksichtigt werden, sondern durch Klimawandel und Umweltverbrauch auf andere Menschen abgewälzt werden. Dass sich Penny und die anderen Lebensmittelketten dabei durch ihren Preisdruck auf die Hersteller mitschuldig machen, schmälert die erstmalige Nennung der Kosten nicht.

Erkenntnis ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung, ohne Aufklärung – durch wen auch immer – hätte es keine Französische Revolution, Entmachtung des Adels und des Klerus, keine Freiheit des Individiums und Gleichheit vor dem Gesetz gegeben. Und ohne das Wissen, welcher Schaden beim Verkauf, Kauf oder Verzehr eines Wiener Würstchens oder eine Scheibe Käse bei der Umwelt und anderen Menschen abgeladen wird, sind alle Anstrengungen dagegen auf Sand gebaut. Völlig zurecht begrüßt die Umweltschutzorganisation Greenpeace deshalb die Aktion, weil sie zeige, „dass viele Nahrungsmittel ohne Rücksicht auf Umwelt und Klima erzeugt werden“, so Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht. So entstünden Schäden und damit Kosten, für die Konsumenten sonst nicht bezahlen. Allerdings sollten die Handelskonzern Landwirten endlich faire Preise für ihre Produkte bezahlen, damit sie nachhaltig und umweltfreundlich wirtschaften können.

Damit ist die Aktion von Penny ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den Experten wie der Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker auf Greenspotting schon länger fordern: nämlich dass die Preise anzeigen sollen, was Produkte wirklich kosten, sprich: den Verbrauch und die Schädigung der Umwelt und anderer Menschen mitberechnen. Die politischen Konsequenzen daraus zu ziehen, von sozialer Abfederung über Subventionierung bis zur steuerlichen Mehrbelastung von Luxuskonsum, ist dann die Aufgabe von Politikern und sonstigen gesellschaftlichen Entscheidungsträgern. Insofern ist Penny-Chef Görges im Grundsatz zuzustimmen, wenn er sagt: “Zur Lösung dieses Themas, dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung, bedarf es aller Parteien.”

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