Bisher landen ausgediente Sofas, Küchen und Schränke meist im Sperrmüll. Die Möbelindustrie hat Besseres vor: den Aufbau eines Rücknahmesystems.
Holz gilt gemeinhin als klimaverträglich. Grund: Der nachwachsende Rohstoff bindet beim Wachsen Kohlendioxid (CO2). Doch die Nutzung hat auch Schattenseiten. Allzu häufig stammen Fichte und Eiche aus wenig ökologischen Monokulturen. Der Einschlag von Tropenhölzern zerstört großflächig Regenwald. Um sich zudem unabhängiger von den stark schwankenden Holzpreisen zu machen, Ressourcen zu schonen und im Kreislauf zu führen, betritt die hiesige Möbelindustrie Neuland: Sie will ein brancheninternes Rücknahmesystem für Altmöbel aufbauen. Das geht aus einem jetzt verabschiedeten Papier hervor, das uns exklusiv vorliegt.
Rücknahmesystem als Beitrag zum Klimaschutz
Mit an Bord sind der Handelsverband Möbel und Küchen BVDM sowie der Verand der Deutschen Holzwerkstoffindustrie VHI, mithin alle Glieder der Prozesskette. Das Pilotmodell soll in Nordrhein-Westfalen getestet werden, voraussichtlich in Ostwestfalen oder im Raum Köln. Dort ballen sich besonders viele Händler und Hersteller.
Erst einmal soll das Modell mit Küchen erprobt werden. Denn in dem Segment ist der Kontakt zwischen Kunde und Händler erfahrungsgemäß besonders eng. Und bei jährlich rund 1,5 Millionen verkaufter Ober- und Unterschränke hier zu Lande ist das Rücknahme-Potential entsprechend groß.
Testballon mit Küchen
Die Idee: Bei der Planung der neuen Küche bietet der Händler an, die alte von spezialisierten Dienstleistern demontieren und abholen zu lassen. Diese bereiten das Altholz dann für eine Zweitverwertung auf. Das könnte zum Beispiel eine renovierte Einbauküche zu einem attraktiven Preis sein. Hauptsächlich ist aber an zerkleinertes Ausgangsmaterial für die Produktion neuer Korpusse und Arbeitsflächen gedacht.
Nach Berechnungen der Verbände kämen auf diesem Wege erkleckliche und sich auch wirtschaftlich lohnende Mengen zusammen. Nämlich rund 570 000 Tonnen jährlich, würde für jede neue eine alte Küche zurück genommen.
Bisher landen Möbel meist im Sperrmüll
Bisher fließt das Holz ausrangierter Schränke, Sessel, Tische und Küchen aber nur spärlich zurück in die Herstellung. Stattdessen landet es zumeist im Sperrmüll, wird dort mit anderen Materialien vermischt und kann nicht mehr sortenrein gewonnen werden. Klassischerweise für die Verwendung in Faser- und Spanplatten. Weil ausreichend Recycling-Material fehlt, müssen die Möbelhersteller stattdessen auf Frischholz zurückgreifen. Das Altholz verbrennt im Müllofen – schlecht für Klima und Umwelt.
Dabei wäre eine 100-prozentige Wiederverwertung durchaus möglich. Länder wie Italien machen es vor. Mit verkauften Möbeln in Wert von rund 30 Milliarden Euro jährlich böte auch der deutsche Markt genügend Nachschub. Gäbe es denn ein funktionierendes Rücknahmesystem.
Umfassende Nutzungskaskade für Altholz
Generell greift die mögliche Nutzungskaskade von Altholz weit über die stoffliche Wiederverwertung hinaus. Was alles möglich ist, haben die Circular-Economy-Experten der Berliner Denkfabrik „lab of rent“ zusammengetragen. Beispiele sind: Aus dem Ess- wird ein Arbeitstisch im Keller. Bett und Sofa werden verschenkt oder auf Gebrauchtmöbel-Plattformen zum Kauf angeboten (siehe Grafik unten).
Die Idee, ein ausgeklügeltes Rücknahmesystem für Holz zu etablieren, ist also in der Welt. Vorbilder aus anderen Bereichen gibt es bereits zuhauf – von Batterien über Kunststoffe bis zu Baumaterialien.
Hoffen auf politischen Rückenwind fürs Rücknahmesystem
Jetzt hoffen die beteiligten Möbelverbände nicht nur auf genügend Mitstreiter in den eigenen Reilhen, sondern auch auf tatkräftige politische Unterstützung. Konkret führen ihre Spitzenvertreter dazu Gespräch mit dem NRW-Wirtschafts- und Umweltministerium. „Die Branche wählt diesen proaktiven Ansatz, um bereits im Vorfeld etwaiger gesetzlicher Regelungen einen praktikablen und mittelstandstauglichen Weg aufzuzeigen“, heißt es dazu in dem Papier.
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