Toiletten-Revolution: Urin und Kot liefern hochwertigen Dünger

Unsere Ausscheidungen sind eine viel zu kostbare Ressource, um sie einfach in die Kanalisation zu spülen. Die Neuerfindung der Toiletten.

Diese Toiletten den schweizer Herstellers Laufen sind innen so konstruiert, dass sie den Urin vom Rest trennen und separat sammeln
Stilles Örtchen mit Pfiff Diese Toiletten separieren Pipi vom Rest Bild: Laufen

Bäh war gestern. Forscher entdecken wieder, was für unsere Altvorderen vor gut 100 Jahren noch selbstverständlich war. Im menschlichen Urin stecken jede Menge Stickstoff, Phosphor, Kalium und Mikronährstoffe, die sich bestens wiederverwenden lassen. Als umweltverträglicher Pflanzendünger zum Beispiel. Die Rohstoffe mit kostbarem Trinkwasser in Toiletten einfach ins Klärwerk wegzuspülen, ist daher pure Verschwendung.

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Trenn-Toiletten mit Pipi-Falle

Zumal ihre Eliminierung in der biologischen Klärstufe extrem viel Strom fresse, berichtet Burkhardt Fassauer vom Fraunhofer-Institut IKTS. “Kläranlagen sind in mittelgroßen Städten der größte Einzelverbraucher von Energie.” Unsere Vorfahren gerbten dagegen mit Pipi Leder, wuschen Wäsche damit und gossen es über Feldfrüchte.

Inzwischen besinnen sich Forscher und Anwender auf die alten Traditionen. In Schweden sammelt das Startup Sanitation360, das Agrarwissenschaftler der Universität Uppsala gegründet haben, während der Tourismussaison auf Gotland mehr als 70 000 Liter Urin aus wasserlosen Urinalen ein. Sie trocknen den Saft zu Brocken, zermahlen diese zu einem Pulver, das sie schließlich zu Düngemittel-Pellets pressen. Diese passen in handelsübliche Agrargeräte. In den USA, Australien, Südafrika und Äthopien gibt es ähnliche Projekte.

Geruch und Hygiene sind kein Problem

Zu den ambitioniertesten gehört das des Schweizer Forschungsinstituts für Wasser und Abwasser Eawag. Seine Experten wollen künftig ganze neue Stadtviertel mit Trenn-Toiletten ausstatten, auch im benachbarten Frankreich. Paris geht dabei vorweg. Das im Kanton Basel angesiedelte renommierte Sanitärunternehmen Laufen hat dafür mit dem Wiener Designstudio EOOS eine speziell geformte Toilettenschüssel konstruiert, die den Urin gleich beim Pinkeln ausschleust und in einen geruchsdichten Behälter leitet (siehe Grafik unten).

“Geruch und Hygiene sind kein Problem”, versichert Kai Udert, Professor am Eawag, das an der Entwicklung beteiligt war.

Kloschüssel mit Teekanneneffekt
Toiletten-Schüssel mit Urin-Falle Fertig zur Weiterverwertung etwa als Dünger Grafik: EOOS

Nicht nur die neuartige Toilette ist bereits im Handel. Die Eawag-Ausgründung Vuna wandelt das Pipi in einen Flüssigdünger um, den sie unter dem Namen Aurin vermarktet. Aus 1000 Litern Urin werden 100 Liter Pflanzennährstoffe.

Kino-Doku “Holy Shit”

Spätestens seit im vergangenen November der Dokumentarfilm und das gleichnamige Buch “Holy Shit – Mit Scheiße die Welt retten” für Wirbel sorgten, stößt auch Teil zwei unserer Ausscheidungen auf neues Interesse: der Kot. Denn aus den Fäkalien lassen sich tonnenweise Heizpellets, Kompost oder Pflanzenkohle produzieren (siehe Video unten).

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Das Video zeigt, welch nützliche Anwendungen sich in den menschlichen Exkrementen verbergen

In Brandenburg gehört das Startup Finizio zu den globalen Vorreitern. Seine Macher sammeln etwa auf Festivals in Trocken-Toiletten die Hinterlassenschaften Tausender Besucher ein. Sie trocknen die festen Bestandteile, fügen Stroh und andere Zusatzstoffe hinzu. Innerhalb weniger Wochen entsteht ein nährstoffreicher Kompost.

Für Eawag-Professer Udert ist längst klar. “Kot und Urin sind wertvolle Rohstoffe, die wir künftig unbedingt nutzen müssen.”

Mehr: spektrum srf

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