Dreist, dreister, solar: Europas Solarindustrie will zig Milliarden vom Steuerzahler

Weil Europas Solarindustrie nicht aus den Pötten kommt, soll der Steuerzahler es richten. Der soll auf Wunsch von Branchenlobbyisten zig Milliarden Euro an die hiesigen Unternehme überweisen, damit diese preiswertere Anbieter aus China ausstechen können. Die Berechnungen dazu sind ebenso verräterisch wie entlarvend. Eine Analyse von Reinhold Böhmer.

Verräterische Rechnung des Europäischen Solarbranchenverbandes: Lediglich fünf von 25 bis 30 Cent des Kostennachteils der hiesigen Solarunternehmen pro Watt Leistung einer Solaranlage gehen auf ungleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber chinesischen Anbieter zurück, der riesige Rest ist eigene Unfähigkeit (Grafik ESIA).
Verräterische Rechnung des Europäischen Solarbranchenverbandes: Lediglich fünf von 25 bis 30 Cent des Kostennachteils der hiesigen Solarunternehmen pro Watt Leistung einer Solaranlage gehen auf ungleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber chinesischen Anbieter zurück, der riesige Rest ist eigene Unfähigkeit (Grafik ESIA).

Man nutze das China-Bashing der USA und in der Gefolge der EU-Kommission, garniere es mit einem Wust von Zahlen, verpacke es in betriebswirtschaftlichen Wichtig-Sprech – und fertig ist die Laube für eine milliardenschwere Abgreife von Steuergeldern. Dieses Rezept hat sich offenbar die European Solar PV Industry Alliance (ESIA) zu eigen gemacht, ein Zusammenschluss europäischer Solarzellenhersteller. Weil diese nach dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China vor zwei Jahrzehnten bei ihrem aktuellen Aufholversuch offenbar abermals vor dem Scheitern stehen, soll nun der Steuerzahler mit zig Milliarden Euro die Rettung bringen. Dazu wünscht sich die Branche eine einmalige staatliche Finanzspritze in die Unternehmenskassen von bis 24 Milliarden Euro sowie laufende staatliche Überweisungen von bis zu sechs Milliarden Euro jährlich. Anlass für das Begehren ist die Erkenntnis, dass Unternehmen im Reich der Mitte wesentlich kostengünstiger produzieren, wie die Bittsteller in einer Grafik detailliert ausführen.

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Kostenvorteil der Chinesen durch Wettbewerbsverzerrung gering

Bei genauer Betrachtung der Zahlen zeigt sich jedoch, dass diese weniger eine schlüssige Begründung als vielmehr eine verräterische, entlarvende und obendrein noch dreiste Masche sind, um anderer Leute Geld einzusacken. Zugegeben, irgendwie nachvollziehbar wäre das Ansinnen ja, wenn die Solarlobbyisten ihren Wunsch nach Staatsknete mit Marktversagen begründen würden, in diesem Falle also mit den immer wieder gern angeführten angeblichen Wettbewerbsverzerrungen durch den chinesischen Staat, der die heimische Solarbranche massiv förderte. Doch wie aus der Aufstellung der ESIA hervorgeht, bescheren die Eingriffe Pekings zugunsten der heimische Herstellern diesen lediglich einen Kostenvorteil von fünf Cent pro einem Watt Leistung einer Solarzelle. Das entspricht aber nur 16 bis 20 Prozent des gesamten Kostenvorsprungs in Höhe von 25 bis 30 Cent pro Watt, mit dem die Chinesen laut ESIA produzieren.

Wettbewerbsverzerrung wäre aus eigener Kraft wettzumachen

Eine Marktzugangsbeschränkung, die nur mit Hilfe staatlicher Milliarden überwunden werden kann, sieht anders aus. Im Gegenteil: Für findige Ingenieure und Produktionsexperten sollte ein solchermaßen erlangter Kostenvorsprung in der Größenordnung von 16 bis 20 Prozent eher eine Ansporn sein, besser sein zu wollen. Als Ende der 1980er Jahre die westliche Autoindustrie eines Kostenvorsprungs der japanischen Konkurrenz in gleicher Höhe und mehr gewahr wurde, riefen VW, BWMW, Mercedes und Co. nicht nach Steuermilliarden, sondern trimmten die Herstellung mit selbst bezahlten Investitionen und neuen Methoden auf höhere Produktivität.

Geständnis, dass Chinesen vor allem viel effizienter produzieren

Zentral am Zahlenwerk der ESIA ist allerdings das unausgesprochene Geständnis, dass sich der größte Teil des Kostenvorsprungs der chinesischen Solarhersteller offenbar nicht aus staatlichen Eingriffen ergibt, sondern aus der überragenden Produktivität der dortigen Konzerne und deren gigantischem Ausstoß, wodurch die Kosten pro Solarzelle massiv sinken. Dazu haben es die europäischen Hersteller in der Vergangenheit trotz staatlicher Flankierung etwa durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland nie gebracht. Es noch einmal zu versuchen, wagt offenbar keiner von ihnen in Europa. Das ist die eigentliche Botschaft der ESIA-Zahlen, ohne dass der Verband dies ausdrücklich benennt.

EU soll Mehrkosten übernehmen plus Kostenvorteil finanzieren

Die ökonomische Kernaussage dieser Zahlen, also dass der Branche der Wille oder der Glaube an einen erforderlichen Produktivitätssprung aus eigener Kraft fehlt, haben die ESIA-Lobbyisten in betriebswirtschaftliches Gewand gepackt. So soll der europäische Steuerzahler zunächst einen dicken Brocken der Investitionen in den Aufbau von Kapazitäten, die sogenannten Capex, übernehmen. 18 bis 24 Milliarden Euro soll diese einmalige Schenkung an die Unternehmen betragen. Hinzukommen sollen jährlich weitere vier bis sechs Milliarden Euro, sogenannte Opex, mit denen die Kosten des operativen Geschäfts wie der Produktion gesenkt und auf wettbewerbsfähig hingebogen werden sollen. Statt von einer staatlichen Übernahme wesentlicher Investitions- und Produktionskosten sprechen die ESIA-Lobbyisten nebulös von „einer intelligenten Mischung aus Capex- und Opex-Unterstützung“ für die Unternehmen. Diese sollen helfen, in Europa Produktionskapazitäten für Solarzellen pro Jahr mit einer Leistung von 30 Gigawatt aufzubauen – verbunden mit einem Kostenvorsprung gegenüber chinesischen Wettbewerbern von zehn Cent pro Watt Leistung einer Solarzelle.

Subventionsforderung strotzt vor Doppelmoral

Dreister kann eine Doppelmoral kaum sein. Auf der einen Seite notieren die ESIA-Lobbyisten, dass die Regierung in Peking die Wettbewerbsbedingungen („the field of play“) der chinesischen Unternehmen durch staatliche Maßnahmen zu Lasten der europäischen Produzenten bei den Herstellungskosten um fünf Cent pro Watt verbessert. Auf der anderen Seite fordern sie staatliche Maßnahmen in einem Umfang, der nicht nur diesen Wettbewerbsnachteil der europäischen Hersteller und ihren Rückstand bei der Produktivität wettmachen soll, sondern den europäischen Herstellern gleichzeitig sogar noch einen Kostenvorteil von zehn Cent pro Watt verschaffen soll – Wettbewerbspolitik à l’européenne.

An der Reaktion der Politiker und der EU-Kommission auf die ESIA-Forderung wird sich zeigen, ob es noch ein Restgefühl für ökonomischen Sachverstand und wirtschaftliche Gerechtigkeit in den europäischen Regierungen und Gremien gibt – oder ob dies zur blinden Subventionskriegslust gegen China verkommen ist, egal was diese kostet und wozu sie zu Ende gedacht führt.

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