Großwärmepumpen: Hoffnungsträger der Energiewende

Warum Experten vielerorts auf Großwärmepumpen als beste Möglichkeit für CO₂-freies Heizen setzen. Und was das für die Verbraucher bedeutet.

Großwärmepumpen wie diese des Mannheimer Energieversorgers MVV nutzen Umgebungswärme - in diesem Fall das Wasser des Rheins
20-MW-Großwärmepumpe des Energieversorgers MVV Wärme aus dem Rhein für 3500 Haushalte
MVV-Pressebild

Mitte dieses Sommers versetzte die Ampelregierung mit dem ersten Entwurf ihres Heizungsgesetzes die Republik in Wallung. Besonders das Gerücht, der grüne Klimaminister Robert Habeck würde Immobilieneigentümer quasi von heute auf morgen zwingen, ihre Gas- oder Ölheizung gegen eine teure Wärmepumpe auszutauschen, trieb vielen die Zornesröte ins Gesicht. Inzwischen ist klar: In Bestandsgebäuden gelten lange Übergangsfristen, die Gemüter haben sich beruhigt.

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Den 14 Prozent der Haushalte, die ihre Stuben mit Fernwärme heizen, blieb die Aufregung erspart. Sie konnten die Heizungsdebatte gelassen vom Spielfeldrand verfolgen. Denn Fernwärme speist sich aus Quellen, auf die der Endverbraucher keinen Einfluss hat.

Großwärmepumpen sind ein schlafender Riese

Doch klar ist: Auch bei der Fernwärme muss sich was bewegen, damit sie klimaneutral wird. Denn aktuell wird sie zu mehr als der Hälfte durch das Verbrennen fossiler Energieträger erzeugt. Dabei liegt beispielsweise der Anteil von Erdgas seit zehn Jahren konstant bei 40 Prozent. Ein Grund dafür: Moderne Gaskraftwerke können mit hohen Wirkungsgraden gleichzeitig Strom und Wärme liefern. Das macht sie für die Betreiber wirtschaftlich attraktiv.

Zwar können diese Anlagen prinzipiell auch Wasserstoff verbrennen, sobald er verfügbar ist. Doch das Angebot an H2 wird auf absehbare Zeit knapp bleiben. Daher soll es nach dem Willen von EU und Politik bevorzugt für die Dekarbonisierung industrieller Prozesse reserviert werden, beispielsweise die Produktion von grünem Stahl.

Wärme aus dem Rhein

Daher rücken Wärmepumpen auch bei der Fernwärme nun in den Fokus. Allerdings mit einer Leistung weit jenseits von privaten Hausgeräten: Statt wie diese im Kilowatt (kw)-Bereich zu arbeiten, stoßen Großwärmepumpen in zweistellige Megawatt (MW)-Dimensionen vor.

Ein solches Prachtexemplar steht seit kurzem am Rhein. Der Mannheimer Energieversorger MVV hat eine Großwärmepumpe in Betrieb genommen, die ihre Energie direkt aus dem Flusswasser bezieht. Die 20-MW-Wärmepumpe von Siemens Energy versorgt künftig 3500 Haushalte mit Fernwärme. Dazu erhöht sie die Wärme aus dem Fluss elektrisch auf die notwendige Vorlauftemperatur des Fernwärmenetzes, rund 90 Grad Celsius. Zuvor hatte ein Steinkohlekraftwerk die Wärme geliefert. Der Wechsel von fossil auf erneuerbar spart laut Betreiber Emissionen von etwa 10 000 Tonnen CO2 im Jahr ein.

Neidischer Blick aus Frankreich

Die Flusswärmepumpe am Rhein birgt zwei weitere Vorteile: Zur Entlastung des Stromnetzes kann sie zum einen nicht nur den Energieeinsatz reduzieren, sondern auch auf einen Fernwärmespeicher zurückgreifen. Zum anderen kühlt die Wärmeentnahme das Rheinwasser, das durch abgeleitetes Kühlwasser aus zahllosen Industriebetrieben auf ökologisch bedenkliche Grade temperiert wird. Französische Versorger dürften daher besonders aufmerksam auf die Großwärmepumpen schauen: Sie müssen im Sommer immer wieder mal Atomkraftwerke herunterfahren, weil deren Kühlung die Flüsse zu sehr erhitzt.

An sich funktionieren Großwärmepumpen wie ihre kleinen Brüder: Sie beziehen Wärme aus der Umwelt, sei es Erde, Luft oder Wasser. Selbst niedrige Temperaturen von drei Grad reichen noch aus, um ein Kältemittel zu verdampfen, das mit einem strombetriebenen Verdichter weiter komprimiert wird. Dadurch steigt nicht nur der Druck, sondern auch die Temperatur. Ein Wärmetauscher überträgt diese schließlich auf das Fernheizwasser.

Deutschland kann sich selbst heizen

Und das Tollste. Das Potential an natürlichen Wärmequellen hier zu Lande würde ausreichen, ganz Deutschland mit Wärme zu versorgen. Das zumindest zeigt eine Studie von Fraunhofer-Forschern im Auftrag der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende. Das Ergebnis: Großwärmepumpen in Wärmenetzen können Geothermie, Seethermie, Abwärme und Solarthermie samt Speicher effizient erschließen und so helfen, die deutschen Klimaziele bis 2045 zu erreichen.

“Deutschland könnte so seinen gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius aus Kohlendioxid-freien Quellen und mithilfe von Wärmepumpen decken und damit Fernwärme und Industrieprozesse betreiben”, schreiben die Forscher. Sie leiten die Einschätzung aus einer simplen Tatsache ab. Zumindest das theoretische Angebot übersteigt die Nachfrage aus allen Bereichen deutlich: mit 1571 Terawattstunden (TWh) im Jahr versus 1070 TWh (siehe Grafik unten).

Die Grafik stellt gegenüber das durch Wärmepumpen zu realisierende Wärmeangebot aus natürlichen Quellen und die Nachfrage in Deutschland
Wärmepumpen und regenerative Quellen können den Wärmebedarf Deutschlands decken
Quelle: Fraunhofer IEG

“Unter den nachhaltigen Wärmetechnologien ist die Großwärmepumpe sicherlich der schlafende Riese,” sagt Fraunhofer-Hauptautor der Studie, Fabian Ahrendts.

Anschubfinanzierung für Großwärmepumpen

Nur: “Grün, lieber Freund, ist alle Theorie”, gilt auch hier in Abwandlung eines berühmten Zitats des deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Denn Großwärmepumpen kämpfen mit dem gleichen Problem wie viele andere klimafreundliche Energielösungen. Sie sind momentan noch ökonomisch unrentabel. Um sich durchzusetzen, muss der Staat finanzielle Anschubhilfe leisten. Und zudem mit den privaten Versorgern kräftig in die Infrastruktur investieren. Die Fraunhofer-Studie geht von einem Mehrbedarf von deutlich über 10 000 Kilometern Fernwärmeleitungen bis 2045 aus.

Als zentrales Steuerungsinstrument für den Ausbau eignet sich das jüngst verabschiedete Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Es verpflichtet alle 11 000 deutschen Gemeinden dazu, Unternehmen und Immobilieneigentümern aufzuzeigen, mit welcher Energieversorgung vor Ort sie in den kommenden Jahren planen können.

Politik und Unternehmen müssen jetzt liefern

Explizit nennt das Gesetz Großwärmepumpen als ortsunabhängige Lösung. Bereits seit vergangenem Jahr fördert die Bundesregierung über die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze sowohl den Bau als auch den Betrieb von Großwärmepumpen.

Doch wie so oft ist aller Anfang schwer, der Markt noch sehr überschaubar. Zu Beginn des Jahres waren in Deutschland lediglich rund 30 Großwärmepumpen mit 60 MW Leistung in Betrieb. Weitere gut 30 Projekte befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Bau oder Planung. Darunter eine im November ans Netz gegangene Luft-Wärmepumpe im bayerischen Mertingen mit 0,9 MW, die ihren Strom größtenteils aus Solarenergie gewinnt. Die Kopplung ist wichtig. Denn rundum klimafreundlich sind Großwärmepumpen nur, wenn auch der Strom zumindest größtenteils von Erneuerbaren kommt.

Immerhin: Die Zukunftstechnik kommt in Fahrt. Gerade hat der städtische Grundversorger in Köln, die RheinEnergie, angekündigt, für 200 Millionen Euro die bisher größte Wärmepumpe Europas in Auftrag zu geben. Umweltwärme wird sie wie das Pendant in Mannheim aus dem Rhein beziehen. Mit einer Leistung von 150 MW soll sie von 2027 an 50 000 Haushalte mit klimaneutraler Fernwärme beliefern.

Skandinavier die fleißigsten Nutzer

Im europäischen Vergleich ist Deutschland dennoch spät dran und praktisch ein Novize bei der Anwendung der Technologie. Anders als speziell viele skandinavische Länder. In Norwegen beispielsweise halten Großwärmepumpen schon einen Anteil von 13 Prozent an der Fernwärmeerzeugung (siehe Grafik unten).

Die Grafik zeigt, wieviel Prozent Großwärmepumpen zur Versorgung mit Fernwärme in europäischen Ländern beitragen - Spitzenreiter ist Norwegen
Deutschland ist Schlusslicht in Europa beim Einsatz von Großwärmepumpen Quelle: Fraunhofer IEG

Auch die Dänen sind uns deutlich voraus. In Esbjerg entsteht derzeit eine der weltgrößten Anlagen. Sie zapft die Wärme im Meerwasser an und ist auf 60 Megawatt Wärmeleistung ausgelegt. Da unsere nordischen Nachbarn ihren Strom schon zu Dreiviertel grün produzieren, ist die Heizenergie weitgehend klimaneutral.

Wenigsten indirekt trägt auch Deutschland zu dem Umwelterfolg hoch im Norden bei. Denn die Großwärmepumpe wird von MAN Energy Solutions aus Augsburg installiert. Lange verdiente das Traditionsunternehmen sein Geld vornehmlich in der fossilen Welt. Jetzt macht es, inzwischen ein Konzernableger von VW, immer häufiger mit klimafreundlichen Vorzeigeprojekten Schlagzeilen. Unter anderem bei Wasserstoff.

Mehr: MVV Fraunhofer Tagesschau

Peter Vollmer

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