Noch ist der Anteil der tiefen Geothermie an der Energieerzeugung in Deutschland noch lächerlich klein. Doch gewinnt das Wachstum an Schwung. Vier aktuelle Projekte machen Hoffnung.
Nur etwa ein Promille des Energieverbrauchs in Deutschland deckt die sogennante tiefe Geothermie, also jene Erdwärme, die aus Tiefen von mehr als 400 Metern kommt. Ganze 42 Anlagen tragen zur Heizung von Wohnungen per Fernwärme bei oder liefern Strom. Zu wenig: Deutsche Energieverbände gehen davon aus, dass die Wärmegewinnung aus Tiefen von bis zu 4 000 Metern ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs decken könnte.
Tätsächlich stellt die Erde der Menschheit ein unerschöpfliches Potential an Energie zur Verfügung. 99 Prozent ihrer Masse ist heißer als tausend Grad Clesius. Allein die obersten zehn Kilometer bergen ein Potential von 278 Milliarden Terawattstunden – rund hunderttausendmal mehr Energie als die Menschheit braucht. Der Bostoner Geo-Erschließer Quaise will sogar in Tiefen bis zu 20 Kilometer vordringen. Falls die Pläne aufgehen, könnten mit dem 500 Grad heißen Dampf auch Elektrizitätswerke betrieben werden – ohne Wärmetauscher.
Tröstlich ist angesichts des bisher mickrigen Beitrags der tiefen Geothermie das solide Wachstum der Branche. In den drei Jahren zwischen 2018 und 2021 stieg die Wärmeabgabe der Geothermie-Anlagen immerhin um 32 Prozent auf 1 189 Gigawattstunden. Im Folgenden stellen wir vier aktuelle deutsche Projekte vor, die Anlass zur Hoffnung geben.
Warmes Wasser aus alten Schächten
Aus 800 Meter Tiefe wollen die Experten der Stadtwerke Bochum 30 Grad warmes Grubenwasser fördern. Die Hauptfrage ist, ob das Wasser aus den alten Bergbauschächten tätsächlich 30 Grad warm ist. Weiterhin wollen die Ingenieure während der zwei Wochen Probelauf ermitteln, ob überhaupt genug warmes Wasser vorhanden ist, um die geplante Geothermie-Anlage zu betreiben. Ziel ist es, drei Viertel aller Büros und Gewerbebetriebe auf einem neuen Gewerbegebiet am ehemaligen Opel-Gelände mit Wärme aus den alten Minen zu versorgen. Auch Kühlanlagen sollen mit der Energie aus der Tiefe versorgt werden.
Nordlichter für Erdwärme
In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel haben die Stadtwerke und der dänische Geothermie-Entwickler Innargi vor wenigen Tagen eine Vereinbarung über ein Geothermie-Projekt geschlossen. Innargie soll zunächst das geothermische Potential des Kieler Untergrundes erforschen. Fällt die Exploration positiv aus, könnte der Betrieb der Anlage in etwa fünf Jahren starten. Innargie-Chef Samir Abboud: „Ich bin zuversichtlich, dass wir in wenigen Jahren mit der Geothermie einen wichtigen Beitrag zur Kieler Wärmewende betragen können.“
In Kiel könnte aus einer Tiefe von zwei bis drei Kilometer bis zu 76 Grad warmes Wasser über eine Förderbohrung gewonnen werden. An der Oberfläche müsste das Wassers dann noch mit Hilfe von Hochtemperatur-Wärmepumpen auf eine für das Kieler Fernwärmenetz notwendige Temperatur von 90 Grad erhitzt werden. Anschließend würde das abgekühlte geothermische Wasser über eine Injektionsbohrung zurück in den Untergrund gepumpt werden und der Kreislauf begänne von vorne. Zu Beginn wollen die Kieler sich bei der Exploration auf die oberen Erdschichten konzentrieren. Doch betont der Technik-Vorstand der Stadtwerke, Jörg Teupen, dass auch die tiefe Geometrie interessiere „und Bestandteil des Planes werden“ könnte.
Bohren in Baden
Rund um Freiburg im Breisgau fahren in diesen Wochen große weiße Impulsfahrzeuge übers Land, um seismische Messungen durchzuführen. Es geht darum, optimale Standorte für geothermische Bohrungen zu finden. Bis zum Herbst soll dann die Entscheidung fallen, wo gebohrt wird.
Der Oberrheingraben gilt als ideales Umfeld für Geothermie. Während in Mitteleuropa die Temperatur im Schnitt um etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter Tiefe zunimmt, steigt sie im Oberrheingraben mit jedem Zehntelkilometer um 3,7 bis 4,5 Grad. Im Gebiet um Freiburg betragen die Wassertemperaturen in 3 500 Meter Tiefe über hundert Grad. Der Versorger Badenova will bis zum Jahr 2035 jährlich eine Terawattstunde grüne Wärme liefern – ein Großteil davon als Erdwärme.
Geothermie ist in Baden nicht unumstritten. Im Raum Straßburg hatte es im Dezember 2020 nach geothermischen Bohrungen und Probeläufen schwache Erderschüttterungen gegeben. Badenova hat deshalb einen Bürgerschaftsrat eingerichtet, der auch Gegner des Projektes anhörte. Nicht zuletzt aufgrund der detaillierten Information der Bürger, aber auch, weil sämtliche demokratische Parteien sich für die Nutzung der Geothermie aussprachen, ist die Skepsis der Bevölkerung zurückgegangen. So hatte sich der Freiburger Rat und die Komunalräte von 19 umliegenden Gemeinden für das Projekt ausgesprochen.
Besuch aus Berlin
Das Vorzeige-Geothermieprojekt der Stadt Potsdam ist im Vergleich zum Badener Vorhaben weiter gediehen. Eine Bohrung bis in 2157 Meter Tiefe ist bereits abgeschlossen. Ein zweite Bohrung ist für die kommenden Wochen geplant. Die zweite Bohrung ist nötig, um das abgekühlte Wasser aus der Tiefe nach Nutzung zurückzuleiten. Die Anlage soll unter anderm eine Siedlung mit 750 Wohnungen mit Wärme versorgen. 20 Millionen Euro sind für das Vorhaben verplant.
Vergangene Woche fand sogar Außenministerin Annalena Baerbock in ihrer Eigenschaft als Bundestagsabgeordnete den Weg an das Potsdamer Bohrloch. Das Projekt sei vorbildhaft für ganz Deutschland, sagte die grüne Politikerin. Baerbock betonte die Notwendigkeit staatlicher Förderung. Auch das Potsdamer Vorhaben erhält Zuschüsse vom Bund. Denn für private Investoren sind die Risiken von Geothermie-Bohrungen oft zu groß. Selbst für das fortgeschrittene Potsdamer Projekt schließen die beteiligten Entwickler nicht vollständig aus, dass das Projekt noch scheitern könne.
Mehr: Badische Zeitung; Stadtwerke Kiel; WDR; Bundesverband Geothermie
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