Unter Nippons Inseln brodelt es gewaltig. Doch bisher importierte die Regierung lieber die Klimakiller Gas und Öl, statt die vielen Heißquellen anzuzapfen. Das soll sich ändern – die Tourismusindustrie protestiert.
Sie sind bei Touristen wie Einheimischen heißt geliebt: die dampfenden Quellen – japanisch: Onsen – die zu Tausenden aus dem Erdinneren der vielen Inseln an die Oberfläche quillen. Sie dienen nicht nur der Entspannung. Vulkangestein, Mineralien und Salze sollen auch viele Badende schon geheilt, ihre Leiden zumindest gelindert haben.
Das Potential von 20 Atomkraftwerken
Doch anders als etwa die Isländer, die das bis zu 100 Grad Celsius heiße Wasser ihrer Geysire schon viele Jahre zur Strom- und Wärmegewinnung nutzen, schöpfen die Japaner das Potential der unerschöpflichen und kontinuierlichen Energiequelle nicht einmal zu einem Bruchteil aus (siehe Grafik unten). Sie fristet in dem an fossilen Brennstoffen armen Land ein Mauerblümchen-Dasein. Dabei verfügt Japan nach den USA und Indonesien mit 23 470 Megawatt (MW) über die drittgrößte Kapazität an Geothermie.

Aufgeschreckt von ausufernden Importkosten für Öl und Gas sowie dem Unglück 2011 im Atommeiler Fukushima fördert die Regierung in Tokio jetzt erstmals die Nutzung der heimischen Erdwärme. Ihr Anteil an der regenerativen Energiegewinnung soll bis 2030 von verschwindend geringen 0,2 Prozent heute auf immer noch sehr bescheidene 1,1 Prozent zulegen (siehe Grafik unten). Da bleiben gewaltige Reserven. Nach einer Analyse der Regierung wären 20 000 MW möglich. Das enspräche der Leistung von 20 der gut 50 Kernkraftreaktoren des Inselreichs.

Strom aus Geothermie ist zudem preiswert. Dem Nachhaltigkeitsinstitut JFS zufolge kostet die Kilowattstunde mit umgerechnet acht Eurocent nicht mehr als die aus einem Gaskraftwerk.
Besorgte Hoteliers
Doch der Vorstoß der Regierung stößt auf Widerstand. An vorderster Front führen ihn die Onsen-Betreiber an. Sie sorgen sich, das Anzapfen der Heißquellen könnte diese verunreinigen und die Gäste vertreiben. Gegenteiligen Gutachten schenken sie wie der Vorsitzende der Japan Spa Association, Yutaka Seki, wenig Glauben. “Wir können es nicht wissenschaftlich beweisen, aber wir fürchten, dass sich Energieförderung negativ auf uns auswirken würde.”
Widerstände auch in Deutschland
Mit ihren Protesten haben die Tourismusbosse etwas mit besorgten Bundesbürgern gemein. Die wehren sich schon gegen Probebohrungen, mit denen Forscher das Energiegewinnungs-Potential der Geothermie in geeigneten Gegenden Deutschlands wie dem Südwesten auszuloten wollen. Aus Angst, diese könnten Erdbeben auslösen.
Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender des Tunnelmaschinenbauers Herrenknecht, wirft den Aktivisten “Ignoranz” gegenüber den Chancen dieser sauberen Energieform vor und sieht “Feigheit” am Werk. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will vor den Protesten nicht einknicken. Sein Ziel: Im Jahr 2050 soll die Geothermie ein Viertel des bayrischen Wärmebedarfs decken. “Wir sitzen auf einer Wärmflasche, dem Süddeutschen Molassebecken, und dieses Wärmepotential wird einfach unzureichend abgerufen.”
Von Dieter Dürand
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