Mehr Geothermie wagen! Kommt jetzt endlich die Wende zur Tiefenwärme?

Die Bundesregierung will das gigantische Potential der tiefen Geothermie stärker als bisher erschließen. Der Plan dazu soll schon bald vorgestellt werden. Die Energieverbände scharren schon mit den Hufen.

Geothermie-Bohrung Stetiges Energiepotential aus der Erde  (Stefan Schweihofer/Pixabay)
Geothermie-Bohrung Stetiges Energiepotential aus den Tiefen der Erde (Stefan Schweihofer/Pixabay)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz reagierte mit der Ankündigung des Plans auf einen gemeinsamen Appell von fünf Energieverbänden. Nach Meinung der Verbände werden die Chancen der tiefen Erdwärme nur unzureichend genutzt. “42 tiefe Geothermie-Anlagen in Deutschland zeigen: Ist eine Erdwärmequelle erst einmal erschlossen, stellt sie preisstabil und nachhaltig Energie zuverlässig über Jahrzehnte zur Verfügung”, heißt es in dem Appell. Die Verbände gehen von einem Potential der Tiefengeothermie von rund 300 Terawattstunden im Jahr (TWh/a) aus. Die tiefe Geothermie könne bis zu einem Viertel des Wärmeverbrauchs in Deutschland liefern.

Riesiges Potential – minimale Nutzung

Der gesamte Wärmebedarf in Deutschland beträgt etwa 1 300 Terawattstunden pro Jahr. Um das Potential von 300 TWh/a zu heben, müssten Anlagen mit einer Leistung von 70 Gigawatt installiert werden. Die 42 bereits laufenden Anlagen stehen jedoch nur für eine installierte Wärmeleistung von rund 350 Megawatt. Folglich müsste die installierte Leistung um das 200-fache erhöht werden. Die Energie-Verbände fordern deshalb ein “Geothermie-Entschließungsgesetz”. Das Gesetz sollte vom dem Grundsatz ausgehen, dass die Nutzung der Geothermie dem allgemeinen Interesse und der öffentlichen Sicherheit diene. Das von den Verbänden geforderte Gesetz soll auch sichern, dass finanzielle Risiken abgesichert und Flächen vorrangig bereit gestellt werden.

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Tatsächlich stellt die Erde der Menschheit ein enormes Energiepotential aus ihren Tiefen zur Verfügung. 99 Prozent der Erdmasse sind heißer als tausend Grad Celsius. Allein die oberen zehn Kilometer der Erdkruste, im Grunde ein extrem kleiner und relativ kalter Teil der Erde, enthalten mit rund 278 Milliarden Terawattstunden etwa hunderttausendmal mehr Energie als die Menschen brauchen.

Alle tausend Meter tiefer steigt die Temperatur im Durchschnitt um 30 Grad. Die Bohrlöcher für die 42 tiefen Geothermie-Anlagen in Deutschland sind im Mittel 2 500 Meter tief. Die tiefsten Erdwärmebohrungen erreichen hierzulande mehr als 5 000 Meter. Im Raum Karlsruhe, wo die sogenannte geothermische Tiefenstufe recht hoch ist, lässt sich bereits aus 3 500 Meter Tiefe eine 160 Grad heiße Sole fördern.

Immer tiefere Bohrungen

Weltweit wurde das tiefste Geothermie-Bohrloch mit 6 400 Meter bislang im südfinnischen Espoo vorangetrieben. Doch ein Bostoner Startup namens Quaise will seine Erdwärme-Bohrlöcher bis in 20 Kilometer Tiefe treiben. Daraus soll dann, so Quaise-CEO und -Mitgründer Carlos Araque, bis zu hundert Jahren 500 Grad heißer Dampf entweichen. Mit diesen hohen Temperaturen könnten nicht nur Städte beheizt, sondern auch E-Kraftwerke betrieben werden.

Die Vorteile der Geothermie liegen auf der Hand: Anders als Sonne und Wind steht die Erdwärme stets zur Verfügung. Die Anlagen sind vergleichsweise klein und verschandeln weder Landschaft noch die Dachflächen in den Städten. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren einige wenige, leichte Erdbeben als Folge geothermischer Bohrungen. Demgegenüber stehen weltweit allerdings hunderte tiefe geothermische Anlagen, die problemlos laufen.

Wacht die Bundesregierung auf?

Den jüngste Appell der Energieverbände haben die Politiker und Fachbeamten im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit “großem Interesse” registriert. Der noch nicht veröffentlichte Plan des Ministeriums sieht immerhin die beschleunigte Erschließung eines geothermischen Potentials von zehn Terawattstunden vor. Die Ampelparteien hatten die verstärkte Nutzung der Geothermie bereits im Koalitionsvertrag aufgenommen. Dort hieß es “Wir wollen das Potenzial der Geothermie für die Energieversorgung, u. a. durch Verbesserung der Datenlagen und Prüfung einer Fündigkeitsrisikoversicherung, stärker nutzen.”

Letztere würde die großen Risiken bei der Erschließung des Erdinneren staatlich absichern. Denn immer wieder gehen Bohrungen im wahren Sinne des Wortes daneben. Im Regelfall allerdings erschließen die Bohrungen mit Erfolg Energiequellen, die über viele Jahre Wärme kostengünstig, nachhaltig und zuverlässig liefert. Deshalb appellieren der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK, der Bundesverband Erneuerbare Energie, der Bundesverband Geothermie und der Verband kommunaler Unternehmen an die Regierung: “Die Branche steht bereit. Der Schatz, der unter unseren Füßen liegt, muss nur gehoben werden.”

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