Wärme aus dem Erdreich statt Atomstrom

Das Unternehmen Deutsche Erdwärme will nördlich von Karlsruhe 160 Grad heißes Wasser aus 3500 Meter Tiefe fördern. Die Anlagen sollen ab dem Jahr 2023 zehntausende Haushalte mit Heizenergie versorgen. Doch die Bürger zögern.

Bohrung nach Erdwärme Unendliche Reserve (Foto: DrillingEngineer/Pixabay)

In einem Bogen rund um Philippsburg sollen an vier Standorten Erdwärme-Anlagen entstehen. Bis vor kurzem lieferte dort das gleichnamige Atomkraftwerk elektrische Energie. Am letzten Tag des Jahres 2019 wurde die Anlage abgeschaltet. Kurz danach begann der Rückbau. Schon ab Ende 2023 sollen nun die Anlagen in den Orten Graben-Neudorf, Karlsruhe-Waghäusel, Dettenheim und in Karlsruhe-Neureut damit anfangen, über ein Fernwärmenetz Haushalte mit Heizenergie zu versorgen.

Die Oberrheinebene bietet der Geothermie gute Voraussetzungen. Die geothermische Tiefenstufe ist gering. Das bedeutet, dass die Temperatur pro Meter Tiefe vergleichsweise stark anwächst. Anderseits reagiert der Untergrund sensibel auf Fehler bei der Erschließung des unerschöpflichen Energiepotentials. Nach Bohrungen hatte im Oberrheintal gelegentlich die Erde leicht gezittert – zuletzt um die Jahreswende in Straßburg.

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Jeder Standort kann Heizenergie für rund zehntausend Wohnungen liefern. Am weitesten fortgeschritten sind die Vorbereitungen in Graben-Neudorf, wo ein 3500 bis 3700 Meter tiefes Thermalreservoir angezapft werden soll. Die Explorationen sind schon seit zwei Jahren im Gange. Nun ist die Deutsche Erdwärme dabei, ein Terrain zu roden, um eine Bohrplattform zu errichten. Auch die Planungen für die Gebäude und Anlagen, die anschließend gebaut werden sollen, können schon eingesehen werden.

Bürger einbeziehen

Nun gilt es für die Investoren und die Befürworter in politischen Ämtern, mit der Angst der Bürger umzugehen. Auf einer Info-Veranstaltung im vergangenen Herbst prallten die Meinungen Geothermie-kritischer Aktivisten, der Landesvertreter und der Manager der Deutschen Erdwärme heftig aufeinander. Der Bürgermeister von Graben-Neudorf, Christian Eheim (SPD), versucht zwischen den Fronten zu vermitteln. Er beklagt sich vor allem über mangelnde Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung und Gremien durch die Landesbehörden. Die Grünen am Ort sprechen sich eindeutig für das Projekt aus.

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3 Kommentare

  1. Ich wohne in 76872 Erlenbach bei kandel.bei uns werden die ganzen Bürgermeister und Gemeinderäte hofiert um als erstes rüttelversuche durchführen zu können und spätere Bohrungen zu genehmigen. Ausserdem wird die Förderung von Lithium ins Gespräch gebracht. Angeblich existieren bereits Verträge mit automobilherstellern zur Abnahme bestimmter Mengen von Lithium ab 2024. Kein Mensch erklärt wieviel Menge Lithium überhaupt mit welchem technischen Verfahren gefördert werden kann. Bei uns heißt die Firma Vulkan energy und ist die 3 oder 4 nachfolgefirma. Das riecht für mich stark nach verarsche und steuerbetrug. Für eine Rückantwort wäre ich dankbar

    • Antwort aus der Redaktion

      Recht herzlichen Dank für Ihren engagierten Kommentar. Bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn ich mich im Folgenden nur allgemein äußere. Ich bin kein Lokaljournalist, der seit Jahren in der Region recherchiert und daher alle Details kennt.

      Die Lithium-Gewinnung aus geothermischer Sole ist vermutlich deutlich weniger umwelt- und sozialschädlich als die Methoden, die in den südamerikanischen Andenstaaten und anderen Schwellenländern zur Anwendung gebracht werden. Die Solen in Deutschland enthalten bis zu 150 Milligramm Lithium pro Liter Sole. Das entspricht etwa einem Viertel der Konzentration aus südamerikanischer Förderung.

      Dass es sich bei der Lithium-Anreicherung aus geothermischer Sole um eine Technik im frühen Stadium handelt, spricht nicht zwingend gegen das Verfahren. Die Dampfmaschine ist auch nicht über Nacht entwickelt worden. Die Grundtechniken für die heute verwendeten industriellen und bergmännischen Methoden zur Anreicherung schwachkonzentrierter Flüssigkeiten beruhen jedoch meist auf Verfahren, die bereits im 18. Jahrhundert oder früher bekannt waren.

      Nur drei Bohrungen im Oberrheingebiet könnten bereits acht Prozent des europäischen Bedarfs von insgesamt 300 000 Tonnen Lithiumkarbonat decken. Zurzeit ist Europa fast vollständig abhängig von Lieferungen aus anderen Kontinenten. Die Vorteile einer einheimischen Lithiumgewinnung liegen auf der Hand: Kurze Transportwege, engere Zusammenarbeit mit hiesigen Abnehmern, Resilienz gegenüber politischen Verwerfungen und wirtschaftsethische Unanfechtbarkeit.

      Es stimmt, dass mehrere große Automobilkonzerne Vorverträge mit Vulcan geschlossen haben. Es spricht also einiges dafür, dass es sich bei dem Lithium-Projekt nicht nur um eine Spinnerei handelt.

      Vulcan hat die Anlage Anfang des Jahres von den Pfalzwerken übernommen und betreibt sie nun über ihre Tochter „Natürlich Insheim GmbH“. Daher kommt wahrscheinlich Ihr Eindruck von laufend wechselnden Betreibern.

      Die Pfalzwerke waren kaufmännisch auf keinen grünen Zweig gekommen, weil die Anlage bislang nur Strom erzeugte. Die Vulcan-Tochter will neben Strom auch die Erdwärme zur Gebäudeheizung und Warmwassererzeugung nutzen. Hinzu kommt als drittes Geschäftsfeld die erwähnte Lithiumförderung.

      Ob ein politisch so eng begleitetes Projekt vornehmlich der Steuerhinterziehung nutzen soll, wage ich zu bezweifeln. Es mag sein, dass es für kaufmännische Risiko-Vorhaben wie dieses tatsächlich Steuervergünstigungen gibt. Der Gesetzgeber will halt mutige Investitionen nicht durch prohibitive Steuern abwürgen.

      Im übrigen ist die Erdwärme eine vielversprechende Energiequellen ohne CO2-Emission. 99 Prozent der Erdmasse sind heißer als 1000 Grad. Die in unserem Planeten enthaltene Leistung summiert sich auf Tausende Milliarden Watt. Es gibt in Deutschland mehrere tausend geothermische Bohrungen – etliche davon sind tausende Meter tief. Nur in Ausnahmefällen kam es zu (schwachen) Erdbeben – wie z.B. in Straßburg. Das ist auch der Grund, weshalb fast alle politische Parteien – auch die Grünen – hinter einer behutsamen Nutzung der Tiefenwärme stehen. Mit einer Nimby-Politik (Not in my backyard) werden wir die Energiewende nicht hinbekommen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Lothar Schnitzler
      Redaktion Greenspotting

  2. „Schwerpunkt der Nutzung hydrothermaler Tiefengeothermie sollte die Wärmeanwendung sein … Jedes Projekt der hydrothermalen Tiefengeothermie sollte mit einem (kommunalen oder regionalen) Wärmenutzungskonzept verbunden sein.“ (Quelle BUND)
    Die Deutsche Erdwärme bewirbt ihre Projekte immer wieder als mögliche Wärmelieferanten. Auch mit der dadurch möglichen CO2-Einsparung wird geworben.
    Was soll jetzt die Gemeinde Waghäusel davon halten, wenn die Deutsche Erdwärme, nach eigener Aussage, mit ihr keinerlei Gespräche über Wärme geführt hat, sich also weder für die Höhe des Wärmebedarfs von Waghäusel noch für die Anbindung des Werkes an die potentiellen Wärme-Abnehmer (sofern es diese überhaupt gibt) interessiert?
    Das ist nur einer der vielen Gründe aus denen die Bürger die Pläne ablehnen.
    Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie in Karlsruhe

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