Früher Öl-, heute erneuerbare Energiequelle: Neues Leben für alte Bohrlöcher

Die Österreicher machen es, die Amerikaner auch: Statt erschöpfte Öl- und Gasfelder aufzugeben und weiterzuziehen, nutzen sie die Bohrlöcher für die Gewinnung geothermischer Energie.

Erdölförderung in Deutschland Nachnutzung als Geothermie-Bohrloch (Gerd Pfaff/Pixelio)

Sie sind unübersehbar, die vielen Erdölpumpen im sogenannten Weinviertel nordöstlich von Wien. Hunderte davon stehen im Wiener Becken. Wenn sie nur noch öliges Wasser fördern, werden sie abgebaut, Das Bohrloch wird verschlossen – oft mit hohen Kosten. Das Wiener Startup Greenwell will die alten Löcher jetzt nutzen, um statt dreckiger Fossilenergie saubere CO2-freie Erdwärme zu fördern.

Denn in den äußeren zehn Kilometern der Erdkruste steckt laut International Renewable Energy Agency (Irena) 50 000-mal mehr Energie als in allen Öl- und Gasvorkommen der Welt. In Mitteleuropa steigt mit wachsender Tiefe alle hundert Meter die Temperatur des Erdreichs oder Gesteins um drei Grad Celsius an – in seismisch aktiven Gebieten sogar mehr.

Bohrlöcher für Gas und Öl sind oft 1 500 bis 3 000 Meter tief. Sie niederzubringen kostet Millionen. Sie umweltfest zu verschließen ist nicht viel billiger. Die Idee der Greenwell-Gründer: Warum sollen wir die Bohrlöcher teuer verschließen, wenn wir sie weiter als Zugang zu geothermischer Energie nutzen können? Denn die Umrüstung kostet nur unwesentlich mehr als die Stilllegung.

85 000 aktive Bohrlöcher in den EU-Ländern

Alte Bohrlöcher gibt es genug. In den Ländern der europäischen Union arbeiten 85 000 Erdöl- und Erdgasbohrungen. Allein in Österreich werden pro Jahr zwischen zehn und dreißig Bohrlöcher aufgegeben. Etwa jedes zehnte Loch eignet sich zur geothermischen Nachnutzung.

Die drei Gründer wissen, wovon sie reden. Zwei von ihnen haben über Jahre in der Ölbranche gearbeitet. Sie wollen kaltes Wasser in die Ex-Erdölbohrungen pumpen, nachdem die Ölfirmen das Bohrlochende verschlossen haben. Das Wasser erwärmt sich in den Tiefen der Erde auf bis zu 70 Grad. Damit ist es zwar nicht warm genug, um Kraftwerke zu versorgen. Für die Beheizung von Gewächshäusern oder auch für Fernheizungen reicht die Wärme allemal. In den kommenden 15 Jahren planen die Gründer, weltweit rund tausend Bohrlöcher umrüsten und dadurch eine Million Tonnen CO2 einsparen.

Staatsknete von der Biden-Regierung

In den USA unterstützt jetzt sogar die Regierung die Weiternutzung der alten Bohrlöcher. Das US Department of Energy fördert mit über acht Millionen Dollar ein Projekt in Oklahoma. In dem Erdölstaat soll das warme Wasser aus der Tiefe zur Beheizung von Häusern genutzt werden. Rund 90 Prozent der geförderten Energie kann dabei verwendet werden. Im Sommer wollen die Amerikaner die Wärme aus den Häusern ableiten und unterirdisch speichern.

Auch die Umwandlung in elektrische Energie soll erprobt werden. Der Nachteil: Da die Temperaturen aufwendig durch Wärmepumpen hochgejubelt werden müssen, beträgt der Nutzungsgrad nur zehn Prozent. Andererseits kann Strom – anders als Warmwasser – ohne großen Aufwand weiträumig verteilt werden. Hierzu nutzen die Projektingenieure die bestehenden Versorgungsnetze der alten Ölfelder. Und sie nutzen das Können der heimischen „Driller“, der Erdölarbeiter, und bieten ihnen Jobaussichten für die postfossile Ära.

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