Energiewende überholt Bundesregierung

Spätestens bis 2038 soll Schluss sein in Deutschland mit der klimaschädlichen Stromproduktion aus Kohle. Vermutlich geht alles aber viel schneller. Dazu tragen sogar diejenigen bei, denen es um nichts geht als Profit.

Von Abschaltern und Zockern bedroht: Klimaschädliches Braunkohlekraftwerk vor Abraumhalde (Foto: Iwona Olczyk / pixabay)

Vor gut sieben Jahren war für die Betreiber von Kohlekraftwerken die Welt noch in Ordnung. Wer das schmutzige Gold aus dem Untergrund verbrannte, um Strom zu erzeugen, musste rund fünf Euro pro Tonne Kohlendioxid bezahlen, um das klimaschädliche Gas in die Luft blasen zu dürfen. Jetzt kostet die Untat gut zehnmal so viel – und das ist erst der Anfang. Hedgefonds, also risikobereite Geldanlager zumeist aus den USA, wetten bereits, dass ein solches Zertikat für eine Tonne CO2 Ende des Jahres vielleicht sogar 100 Euro kostet. Das heißt, die Hasardeure spekulieren darauf, das der CO2-Preis auf diese Höhe steigt, und decken sich deshalb jetzt mit Zertikaten ein, um sie später teurer zu verkaufen. Allein durch diese zusätzliche Nachfrage erhöhen sie den Preis des Co2 – und machen die vorhandenen Kohlekraftwerke weniger rentabler.

Wirtschaftlich den Rest

Auch wenn längst nicht alle Spekulanten so bullish sind, also mit einer Preisexplosion bei den CO2-Zertifikaten rechnen: Die Ultra-Kapitalisten sind nur einer von mehreren Gründen, dass die Energiewende sich schneller vollziehen könnte, als die Bundesregierung dies glaubt. Dazu trägt zum einen die Verschärfung des Klimaschutzes nach dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ende April bei. Zum anderen geben der Aufstieg der erneuerbaren Energien sowie neue weniger CO2-trächtige Gaskraftwerke den Kohlekraftwerken schneller als gedacht den wirtschaftlichen Rest. Immer mal wieder ist der Stromverbrauch in Deutschland schon für ein paar Stunden komplett grün. Elektrizität kam im April zu weniger als einem Viertel aus der Kohle, so wenig wie seit Jahrzehnten nicht. “Wir sehen eine Verdrängung der Kohle- durch Gaskraftwerke”, sagt Bruno Burger, Professor am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Das liegt daran, dass Gaskraftwerke weniger C02-Zertifikate kaufen müssen und schneller hochfahren können, wenn Sonne oder Wind ausfallen. Kohlemeiler-Betreiber sind deshalb froh, wenn sie im Rahmen des Kohleausstiegs bis 2038 wenigstens noch ein paarMillionen vom Staat kriegen und schalteten deshalb vor kurzem gern auch für weniger Geld als geplant ab.

Gefahr steigender Strompreise

So gut das gesteigerte Ausstiegstempo ist, so schlecht ist dies für die Verbraucher. Denn kommen der Bau der Übertragunsleitungen für den Windstrom aus dem Norden und der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht schneller voran, drohen Stromknappheit und steigende Preise. Schon jetzt kostet eine Kilowattstunde Strom im Großhandel an der Leipziger Strombörse rund 6,5 Cent – gegenüber 3,6 Cent vor einem Jahr.

Mehr: Spiegel

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