Atomkraft? Nein danke! Da waren’s nur noch drei

Am heutigen Sylvester gehen drei der verbliebenen sechs deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Auch drei Kohlemeiler werden abgeschaltet.

Atomkraftwerk Brokdorf an der Unterelbe Einst Schauplatz gewalttätiger Proteste, jetzt wird ihm der Stecker gezogen
Foto: WolfBlur auf Pixabay

Ein Symbol des Widerstands breiter Bevölkerungsschichten gegen den Ausbau der Atomenergie fährt runter. Kurz vor Mitternacht schaltet der Betreiber PreussenElektra den Reaktor in Brokdorf an der Unterelbe endgültig ab. Nach dem Beschluss, ihn zu bauen, war es dort 1976 bei der “Schlacht um Brokdorf” zu massiven, teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Szenen, die sich bis weit in die 1980iger Jahre wiederholten. Die Proteste waren ein Nukleus der erstarkenden Anti-Atomkraft-Bewegung in der alten Bundesrepublik.

Die Bundesregierung versüßt das Aus mit Milliardenentschädigungen

Jetzt neigt sich eine Ära fast unbeachtet dem Ende entgegen, die für Jahrzehnte die politische Tagesordnung der Bonner und später der Berliner Republik mitbestimmte: der Streit um die Nutzung der Atomenergie für die Stromversorgung Deutschlands. Der Konflikt verlor erst an Wucht, als Ex-Kanzlerin Angela Merkel nach der Havarie eines japanischen Atommeilers 2011 in Fukushima den Ausstieg aus der umstrittetenen Technologie auf 2022 vorzog. Den hiesigen Betreibern versüßt die Bundesregierung den Ausstieg mit Milliardenentschädigungen für ihre längst abgeschriebenen Anlagen.

Wohin mit dem vielen Atommüll?

Neben Brokdorf löschen auch die AKW Grohnde in Niedersachsen an der Weser und Gundremmingen in Bayern für immer ihr Höllenfeuer. Ende nächsten Jahres folgen die drei verbliebenen AKW in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg – dann ist das Kapital Kernenergie endgültig begraben.

Ein riesiges Problem allerdings bleibt, das zu gewichtigsten Argumenten der AKW-Gegner gehört: die Frage der sicheren Entsorgung des über tausende Jahre gefährlich strahlenden radioaktiven Abfalls. Auch nach Jahrzehnten der Suche ist es der Politik nicht gelungen, eine Endlagerstätte für den Atommüll zu finden. So stapelt er sich in Fässern und Containern provisorisch in Zwischenlagern, die aber überzuquellen drohen.

Widerstand gegen Endlagerstätten formiert sich

Wo immer ein Standort in die Diskussion kommt, formiert sich sofort breiter Widerstand. Etwa im niedersächsischen Würgassen. Wie lange sich die Sondierung hinzieht – unklar. Im Koalitionsvertrag der rot-grün-gelben Ampelregierung heißt es lapidar: „Genehmigte Endlager müssen zügig fertiggestellt und in Betrieb genommen werden.” Na denn man tau, möchte man rufen.

Macrons gefährlicher Atomspleen

Auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Atomkraft gerne innerhalb der EU zur grünen Energie umettiketieren würde und US-Präsident Joe Biden mit angebliche sicheren Mini-AKW liebäugelt – zumindest in Deutschland spricht nichts für eine Renaissance der umstrittenen Technologie. Der Nukleartechnik-Spezialist Christoph Pistner vom Freiburger Öko-Institut bezeichnet die propagierte, geschrumpfte Meilergeneration im exklusiven Greenspotting-Interview schlicht als “gefährlich und unwirtschaftlich”.

Immerhin zeigt das Abschalten der AKW, dass die Energiewende hin zu einer Vollversorgung aus Erneuerbaren hier zu Lande voran kommt. Dass auch drei Braunkohleblöcke des Stromkonzerns RWE mit Jahresende vom Netz gehen, passt da nur ins Bild.

Mehr: Tagesspiegel

Von Dieter Dürand

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