Vizekanzler Robert Habeck sieht Deutschland bei den Klimazielen auf Kurs. Umweltverbände sprechen von Tricks und Luftbuchungen. Wer hat Recht?
Die Wirtschaftszahlen mies – da macht es sich doch gut, wenigstens Fortschritt für die Klimaziele 2030 verkünden zu können, dachte sich Vizekanzler Robert Habeck. Schließlich ist der grüne Minister für beide Themen verantwortlich. Was er dabei vergaß: Die verbesserte Klimabilanz – “Wir sind erstmals auf Kurs” – ist nicht zuletzt Folge der Konjunkturflaute. “So schön kann Scheitern sein”, kommentiert die Neue Züricher Zeitung (NZZ) süffisant. Und bescheinigt Habeck ein “Desaster”.
Klimaziele und Wirtschaftsflaute
Umweltverbände und Experten schlagen in die gleiche Kerbe. Zwar sank Deutschlands Ausstoß an Treibhausgasen (THG) vergangenes Jahr laut Umweltbundesamt (UBA) tatsächlich um 76 Millionen Tonnen oder 10,1 Prozent (siehe Grafik unten). Doch die Reduktion beruht vor allem auf zwei Faktoren – der eine positiv, der andere eher bedenklich: Zum einem dem Rekordausbau von Wind- und Solaranlagen, zum anderen dem Produktionseinbruch vor allem in der energieintensiven Industrie.
So schreibt Greenpeace in einer Stellungsnahme zu dem Projektionsbericht des UBA. “Niemand darf eine kriselnde Wirtschaft mit Klimaschutz verwechseln.”
Dass es nicht rundum gut läuft, räumen denn auch Habeck und UBA-Präsident Dirk Messner ein. Der legt ganz offen den Finger in die Wunde: “Nicht in allen Sektoren stehen wir glänzend da. Vor allem der Verkehrssektor bleibt ein großes Sorgenkind. Hier muss dringend mehr passieren – etwa durch den Ausbau der Elektromobilität und den Abbau des Dienstwagenprivilegs und anderer klimaschädlicher Subventionen.”
Luftbuchungen statt Handlungsdruck
Tatsächlich stieß der Verkehr 2023 rund 13 Millionen Tonnen mehr THG aus als das Klimaschutzgesetz (KSG) erlaubt. Dem müsste Verkehrsminister Volker Wissing eigentlich mit Sofortmaßnahmen wie einem Tempolimit begegnen. Doch Habeck scheut davor zurück, dem liberalen Kabinettskollegen in die Parade zu fahren. Lieber erlaubt er ihm, seine miese Bilanz mit der allgemeinen wirtschaftlichen Misere zu verrechnen. Auch Bauministerin Klara Geywitz, zuständig für den Gebäudesektor, der ebenfalls die Latte reißt (siehe Grafik unten), setzt Habeck nicht unter Handlungsdruck.
Dürfen der FDP-Mann und die SPD-Frau jedoch weiter versagen wie bisher, sind Verkehr und Gebäude auch 2030 noch grobe Klimasünder. Das belegen die Berechnungen der Umweltbundesamts. Mit 180 beziehungsweise 32 Millionen Tonnen Emissionen bleiben sie weit hinter den Vorgaben zurück (siehe Grafik unten).
In Wahrheit falle die Bilanz, Schönrechnerei raus subtrahiert, noch schlechter aus, wettert der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Er kritisiert “Tricks und Täuschung” gleich an mehreren Stellen.
Verschlampter Waldausbau und Moorvernässung
So würden Maßnahmen berücksichtigt, von denen längst klar sei, dass sie nicht kommen. Eine Dämmoffensive zum Beispiel, weil dafür wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse nicht mehr genug Geld im Klima-Transformationsfonds sei. Die Lücke vergrößere sich zudem, wenn die ostdeutschen Bundesländer nicht, wie vom UBA unterstellt, schon 2030 aus der Braunkohle aussteigen. Das ist alles andere als sicher.
Auf eine weitere Ungereimtheit weist der Chef des New Climate Institute Niklas Höhne hin. Anstatt durch Waldausbau oder wiedervernässte Moore wie im Klimagesetz vorgesehen im Jahr 2030 eine CO2-Senkenwirkung von 25 Millionen Tonnen zu erreichen, werde der Effekt gegen Null tendieren.
Alles in allem übertönt also viel Kritik Habecks Selbstjubel.
Mehr: NZZ UBA DUH klimareporter
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