Ein Papier der Bertelsmann-Stiftung rechnet mit der Klimapolitik der Ampel-Regierung ab. Tenor: Viel zu unambitioniert, um ihre Klimaziele zu erreichen.

Das Urteil der Studienautorin Sara Holzmann über die Klimapolitik der Berliner Ampel-Regierung fällt vernichtend aus. Es klaffe eine „gewaltige Lücke“ zwischen Ambition und Realität, schreibt sie. Und fährt fort: Die Klimapolitik brauche neuen Schwung. Es müssten endlich alle verfügbaren Hebel in Bewegung gesetzt werden, um konsequenten Klimaschutz mit sozialem Ausgleich und gesellschaftlichem Wohlstand zu vereinen. Kurzum: Reißt die Bundesregierung das Ruder nicht rum, verfehlt Deutschland krachend seine im Klimaschutzgesetz (KSG) festgeschriebenen Klimaziele.
Bundesregierung reißt ihre Klimaziele
Das Defizit ist gewaltig. In den vergangenen acht Jahren ist es der Studie zufolge lediglich gelungen, die Treibhausgas-Emissionen, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (Äq), um jährlich 2,1 Prozent durchschnittlich zu drücken. Setzt sich der Trend fort, würde die gesetzlich verankerte Jahresemissionsmenge für
2030 deutlich überschritten. Kumuliert heize Deutschland den Planeten bis dahin mit fast
780 Mio. t CO2-Äq mehr auf als im KSG festgeschrieben.
Größter Sünder: der Verkehrssektor
Vor allem der Verkehrssektor sündigt massiv. Aber auch die Industrie und der Gebäudesektor hinken hinterher (siehe Grafik unten). Die Folge: Ohne massives Gegensteuern bricht Deutschland seine Zusage aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, seinen Beitrag zu leisten, um die globale Erdtemperatur möglichst nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius ansteigen zu lassen.

Expertin Holzmann liefert auch eine Erklärung fürs klimapolitische Versagen der Ampel. Sie setze ziemlich einseitig auf technologische Innovationen wie den Ausbau der Erneuerbaren, höhere Energieeffizienz, Elektroautos und grüne Stromheizungen wie die Wärmepumpe. Dagegen würden umweltfreundliche
Verhaltensweisen wie kleinere Wohnungen, weniger Fleischkonsum, Kauf kleinerer Pkw, weniger
Individualverkehr, Tempolimit, längere Produktnutzung und Energiesparen allenfalls zurückhaltend adressiert, kritisiert Holzmann.
Angst vor dem Vorwurf der Bevormundung
Hinter der Passivität stecke die Angst, sich wie beim Aufregerthema Heizungsgesetz den Vorwurf von Freiheitsberaubung und Bevormundung einzuhandeln, vermutet die Expertin. Umweltfreundliche Verhaltensweisen einzufordern, sei jedoch ein „wichtiger Baustein ambitionierter und beschleunigter Klimapolitik“. Drücken gilt also nicht.
Nie dagewesene Temperatur-Anomalien
Dies um so mehr, als die Erderwärmung sich ganz offensichtlich noch schneller beschleunigt als befürchtet. Schon jetzt sind sich die Wissenschaftler sicher, dass 2023 das weltweit wärmste Jahr seit Beginn der Industrialisierung wird. „Dieser September habe nie dagewesene Temperatur-Anomalien aufgewiesen“, sorgt sich Carlo Buontempo vom EU-Klimawandeldienst Copernicus. „Das ist einfach unfassbar.“
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