Überfordert die Umstellung auf E-Autos unsere Stromversorgung?

Der Marktforscher BloombergNEF ist dieser Frage nachgegangen. Die Antwort: Selbst, wenn weltweit eine Milliarde Stromer auf den Straßen rollen, steckt die Stromversorgung das locker weg.

Ladestation: Stromversorgung steckt Milliarden Stromer locker weg (Ionity)
Ladestation Stromversorgung steckt Milliarden Stromer locker weg (Ionity)

Das Argument ist zunächst einleuchtend: Wenn alle Autos elektrisch fahren, bricht die Stromversorgung zusammen. Tatsächlich kann davon keine Rede sein. Der renommierte Marktforscher BloombergNEF, kurz BNEF, kam zu einem verblüffenden Ergebnis. Die Analysten vom BNEF gehen zwar davon aus, dass die Zahl der Stromer weltweit sich bis 2040 auf 730 Millionen bis eine Milliarde ansteigt.

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Die Auswirkung auf den Stromverbrauch ist jedoch verkraftbar. Der Verbrauch durch die Stromer erhöht sich nur um neun Prozent. LKW und Busse mit eingerechnet, kommt BNEF auf 15 Prozent Mehrverbrauch. Selbst wenn im Jahr 2050 sämtliche Kraftfahrzeuge elektrisch führen, würde der Stromverbrauch im Vergleich zum heutigen Konsum nur um 27 Prozent steigen.

Die Marktforscher verweisen auf das Beispiel Norwegen. Dort liegt der Anteil der E-Autos bei den Neuzulassungen bei 80 Prozent. Inzwischen besteht der Fahrzeugbestand zu 20 Prozent aus Stromern. Der norwegische Stromverbrauch stieg allerdings nur um 1,4 Prozent. Weltweit verbrauchen die 27 Millionen E-PKW, die bis Ende des Jahres auf den Straßen rollen, rund 60 Terrawattstunden Strom pro Jahr. Das macht nur 0,2 Prozent des Gesamtbedarfs aus.

Stromversorgung sicher

Mehrere Studien haben die Situation in Deutschland untersucht. Zurzeit ist laut Bundesnetzagentur die E-Autodichte so gering, dass eine Überlastung für die nächsten Jahre ausgeschlossen werden kann. Auch lokale Überlastungen sind unwahrscheinlich. Deutsche Autofahrer legen pro Tag im Schnitt etwa 40 Kilometer zurück. Die Stromer müssen folglich ein- bis zweimal pro Woche geladen werden. In der Regel geschieht das während der Nachtstunden, wenn die Auslastung des Netzes ohnehin gering ist. Da die Ladung an der häuslichen Wallbox etwa drei bis vier Stunden dauert, kommt es relativ selten zu Überlappungen. Ein Experiment des Netzbetreibers Netze BW zeigte, dass im Höchstfall nur ein Fünftel der E-Autos gleichzeitig aufgeladen werden.

Hinzu kommt, dass intelligentes Lademanagement die Lastspitzen in einem Versorungssektor, also einer Siedlung oder einem Viertel, um 48 Prozent senkt. Die Nutzer merken davon nichts. Die Ladung verläuft zwar langsamer, aber beim Losfahren am nächsten Morgen ist der Akku voll. Hinzu kommt, dass der Anteil der E-Autos langsamer wächst als geplant. Im Oktober rollten 1,3 Millionen Vollelektriker über Deutschlands Straßen. Das entspricht nur etwa zwei Prozent aller PKW. Netzbetreiber und Stromversorger haben also ausreichend Zeit sich umzustellen.

Das müssen sie allerdings auch – zumindest mittelfristig. Denn künftig verbraucht nicht nur die wachsende Zahl an E-Autos mehr Strom. Auch die Wärmepumpen für die Beheizung von Wohnungen, Werkshallen und Büros konsumieren Elektrizität. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI, geht davon aus, dass bis zum Jahre 2050 zwischen 800 und 1 000 Terawattstunden Strom in Deutschland als Endenergie verbraucht werden. Dazu käme noch der Strom zur Erzeugung von Wasserstoff. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren wurden rund 500 Terawattstunden Strom in Deutschland verbraucht.

Netz im Schnitt kaum ausgelastet

Für die Stromerzeugung wird der Anstieg ohnehin kaum ein Problem sein. Jedes Jahr kommen erhebliche Erzeugungskapazitäten zusätzlich auf den Markt. Vor allem die Solarenergie legt zu. Deutschland exportiert darüber hinaus seit 2003 fast jedes Jahr große Mengen elektrischer Energie. Die wahre Herausforderung sind die Netze. Doch auch hier deuten sich Lösungen an. Denn im Schnitt sind die Netze übers Jahr nur zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet. Das Netz könnte theoretisch drei mal mehr Strom transportieren.

Allerdings steckt das sogenannte Lastmanagement, also die Verschiebung von Verbrauchsspitzen in die Nacht oder andere verbrauchsarme Zeiten, in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Anfang vergangenen Jahres waren erst 13 Prozent der deutschen Haushalte mit intelligenten Zählern ausgerüstet. In Frankreich oder den Niederlanden beträgt der Anteil rund 80 Prozent.

Mehr: EFahrer.com

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