Wer von 2030 an ein Wohngebäude erstellt, muss es klimaneutral auslegen. Auf diese strenge Vorschrift für Neubauten einigten sich jetzt die EU-Staaten.
Dieser Beschluss wird viele Menschen ernüchtern, die ein Häuschen bauen wollen. Davon galoppierende Errichtungskosten und steigende Bauzinsen gefährden ohnehin schon ihren Traum. Nun könnte es noch deutlich teurer werden. Denn auf ihrem jüngsten Treffen einigten sich die Energieminister der EU-Staaten auf strenge Energievorschriften für alle Neubauten. Auch bestehende Gebäude müssen energetisch ertüchtigt werden. Das EU-Parlament muss die Pläne noch absegnen. Doch die Zustimmung gilt als sicher.
Neben Neubauten auch der Gebäudebestand im Visier
Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Neubauten dürfen von 2030 an keine Klimagase mehr emittieren,
- für öffentliche Gebäude wie etwa Schwimmbäder gilt das schon zwei Jahre früher,
- ebenfalls von 2030 an gilt eine Solarpflicht für alle neuen Gebäude,
- für Bauten mit einer Nutzfläche von mehr als 250 Quadratmeter schon drei Jahre früher,
- für bestehende Wohngebäude werden Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz festgeschrieben.
Spätesten 2050 sollen in ganz Europa nurmehr Nullemissionsgebäude stehen. Mit diesem ehrgeizigen Plan will die EU ihren Klimazielen näher kommen. Dafür sei der Gebäudesektor von entscheidender Bedeutung, beschwört Jozef Síkela, tschechischer Minister für Industrie und Handel, die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs. Denn auf Gebäude würden 40 Prozent des End-Energieverbrauchs und 36 Prozent der direkten und indirekten energiebedingten Treibhausgasemissionen innerhalb der EU entfallen. Auch die Ampelregierung sieht daher dort dringenden Handlungsbedarf.
Gut fürs Klima – aber was heißt das für den Geldbeutel?
Der Segen fürs Klima ist klar. Doch wird Bauen durch aufwendige Dämmung unbezahlbar?
Dazu schweigt sich der Rat der EU-Mitgliedsstaaten aus, legt jedenfalls keine Berechnungen vor. Doch Síkela ist sicher, dass sich das klimaneutrale Bauen auch finanziell auszahlt – jedenfalls auf Dauer. “Bessere und energieeffizientere Gebäude werden die Lebensqualität verbessern und gleichzeitig die Energiekosten senken und die Energiearmut verringern”, gibt sich der Minister optimistisch.
Hoffnungsträger Wärmepumpen
Als Garant für solches kosteneffiziente Heizen rücken elektrische Wärmepumpen in den Fokus. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass sie einen Teil der benötigten Energie kostenlos der Luft oder dem Erdreich entziehen und sie auf das notwendige Temperaturniveau hieven. In schlechte isolierten Altbauten müssen allerdings schon mal Vorlauftemperaturen von 60 Grad Celsius und mehr erreicht werden, damit die Heizkörper die Wohnstube warm bekommen. Das frisst relativ viel Strom. Darum galten Wärmepumpen bisher als wirtschaftliche Technik vor allem für Neubauten.
Sparpotenzial auch bei unsanierten Häusern
Eine jetzt veröffentlichte Studie der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende entkräftet diese Einschätzung. Die Anlagen seien technisch inzwischen so ausgereift, schreiben die Autoren, dass Wärmepumpen auch unsanierte Häuser preiswerter beheizen könnten als etwa Gaskessel. Die Experten errechneten eine beachtliche monatliche Ersparnis von bis zu 342 Euro (siehe Grafik unten).
Dem stehen allerdings deutlich höhere Anschaffungskosten gegenüber. Je nach Auslegung stellen die Heizungsbauer für den Einbau in ein Einfamilienhaus 30 000 Euro und mehr in Rechnung. Überdies fehlt es an ausgebildeten Installateuren in dieser Technik. Die wenigen, die das Handwerk aus dem Effeff beherrschen, sind oft auf Monate ausgebucht.
Simon Müller, Direktor Deutschland bei Agora Energiewende, fordert die Bundesregierung auf, die Hürden zügig aus dem Weg zu räumen. Sie sollte dem Beispiel anderer europäischer Länder nacheifern. In Schweden hielten Wärmepumpen bereits einen Marktanteil von 90 Prozent und heizten die Gebäude auch an sehr kalten Tagen zuverlässig. Das Gasland Niederlande habe den Einsatz der sparsamen Heiztechnik seit 2014 beinahe verzehnfacht.
Müllers Appell: “Deutschland hat bereits viel Zeit verspielt. Nun steht die Bundesregierung vor der Aufgabe, den Zubau an Wärmepumpen bis 2024 zu verdreifachen.” Na dann mal los.
Mehr: EU Zeit Agora Energiewende
Hinterlasse jetzt einen Kommentar