Die Energiekrise beschleunigt den Umstieg auf Wind und Sonne laut Internationaler Energieagentur unumkehrbar. Das 1,5-Grad-Ziel wird dennoch verfehlt.
Weg von den Fossilen – hin zu den Erneuerbaren. Russlands Überfall auf die Ukraine hat der einzigen Möglichkeit, den Klimakollaps noch abzuwenden, einen empfindlichen Rückschlag versetzt. Denn seither erleben Kohle, Öl und Gas ein Revival, treibt deren Verbrennen die CO2-Emissionen in die Höhe. Das sei jedoch nur ein kurzzeitiger Effekt der momentanen Energiekrise, beschwichtigt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jetzt veröffentlichten Energie-Ausblick 2022. Langfristig würden die derzeit massiven Marktverwerfungen mit horrenden Preisen für die fossilen Brennstoffe zu einem globalen Aufschwung für saubere Energieträger wie Wind und Sonne führen, schreiben die Experten.
Die Energiekrise treibt die Ausgaben für saubere Kraftwerke in neue Höhen
IEA-Generaldirektor Fatih Birol hält den Trend für unumkehrbar. „Die Reaktionen der Regierungen rund um den Globus markieren den Wendepunkt hin zu einem Energiesystem, das sauberer, sicherer und wirtschaftlicher ist.“
Befeuert wird der Umstieg der IEA zufolge durch höhere Investitionen in die Erneuerbaren. Laut Prognose schnellen die Ausgaben im Jahr 2030 auf mehr als zwei Billionen US-Dollar – ein Plus von 50 Prozent gegenüber heute. „Saubere Energie wird zu einer riesigen Gelegenheit für Wachstum und Arbeitsplätze“, stellt die Agentur in Aussicht. Die USA würden ihre Wind-und Solarkapazitäten bis Ende des Jahrzehnts um das Zweieinhalbfache ausbauen. China überflügele die Amerikaner sogar noch dabei, weshalb der Verbrauch von Kohle und Erdöl dort schon vor 2030 sinken werde.
Der fortschreitende Wechsel von dreckigen zu sauberen Energiequellen spiegelt sich in der Stromproduktion wider: Jeweils rund 3000 Terawattstunden (TWh) liefern Sonne und Wind 2030 im Vergleich zu 2021 zusätzlich; hingegen verliert Kohle mit einem Minus von mehr als 1000 TWh an Bedeutung (siehe Grafik unten).
Dennoch bringt der Aufschwung der Erneuerbaren die Weltgemeinschaft noch lange nicht auf den im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Pfad zur Begrenzung der Erderhitzung. Steigen die Temperaturen aber stärker an, bedrohe das die Existenz der Menscheit, warnte der Weltklimarat erst kürzlich wieder eindringlich.
Die Erde erhitzt sich Richtung 2,5 Grad Celsius
Das UN-Klimasekretariat sagt einen Anstieg um 2,5 Grad Celsius voraus – selbst wenn alle Regierungen ihre bisherigen Zusagen zur Reduktion der Treibhausgase einhalten würden. Zum gleichen Schluss kommen die IEA-Fachleute in ihrem Bericht. Damit balanciert die Welt am Abgrund, abgesehen von massiven Kosten für die Volkswirtschaften und die Umwelt. Kipppunkte wie das Abschmelzen der Eiskappen an den Polen oder das Auftauen der sibirischen Permafrostböden würden überschritten, die Katastrophe wäre kaum mehr aufzuhalten, schlagen die Klimaforscher schrill Alarm.
Fossile Konzerne sitzen auf fetten Extraprofiten
Will die Welt den Planeten schon von 2030 an nicht mit weiteren Emissionen aufheizen, wie eigentlich in Paris vereinbart, müssten die Investitionen in die Erneuerbaren der IEA zufolge mehr als vier Billionen US-Dollar erreichen (siehe Grafik unten). Gut das Dreifache des derzeitigen Volumens – und noch doppelt so viel von dem, was die Regierungen derzeit gewillt sind auszugeben. Zugleich müssten die Ausgaben für Fossile zusammengestrichen werden.
Der IEA-Report verrät auch, wo ein erklecklicher Teil des Geldes zur Klimarettung herkommen könnte. Schon zwei Billionen US-Dollar Extragewinne gegenüber 2021 bescherten die Turbulenzen auf den Energiemärkten den Produzenten fossiler Brennstoffe demnach bisher. Und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Dagegen stehen 75 Millionen Menschen, die gerade erstmals Elektrizität bezogen, aber ihre horrend steigenden Stromrechnungen nicht bezahlen können. Und 100 Millionen Menschen, die wieder mit klimaschädlichem Feuerholz kochen müssen.
Versteckter Appell an zögerliche Politiker
Man darf den Absatz in dem Energie-Ausblick getrost als kaum versteckten Appell an zögerliche Politiker wie Kanzler Olaf Scholz verstehen, die leistungslosen Profite abzuschöpfen und sie gegen Energiearmut einzusetzen. Damit vor allem aber die Energiewende zu finanzieren.
Mehr: IEA derstandard
Alle Aspekte ihres aktuellen Energie-Ausblicks erläutert die IEA in diesem ausführlichen Video:
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