Scholz’ Eiertanz um die Übergewinnsteuer

Wegen der explodierenden Benzin- und Dieselpreise sacken die Ölmultis gigantische Profite ein. Eine Übergewinnsteuer könnte einen Teil abschöpfen, um dem Klima zu helfen und die Bürger zu entlasten. Doch der Kanzler kuscht vor der FDP.

Kanzler Olaf Scholz beantwortet in Lübeck Fragen von Bürgern, zur Übergewinnsteuer hält er sich bedeckt
Kanzler Scholz beim Bürgergespräch in Lübeck Übergewinnsteuer derzeit nicht vorgesehen
Foto: Bundesregierung/Bergmann

Einer, der nicht kuscht, ist Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN). Unverblümt hält er den internationalen Gas- und Ölkonzernen “unmoralische Gewinne” vor und schilt sie einer “grotesken Gier”. Was ihn so erzürnt: Allein im ersten Quartal dieses Jahres fuhren BP, Shell, Chevron, TotalEnergies & Co. annäherend 100 Milliarden Dollar Gewinne ein. Mit im Boot: Die BASF-Tochter Wintershall Dea. Sie alle verdienen prächtig daran, dass sie Öl und Gas wegen des Ukraine-Kriegs massiv verteuert haben.

Mit dem Geld aus einer Übergewinnsteuer gegen Energiearmut

Auf der anderen Seite, klagt Guterres an, stünden Hunderte Millionen Menschen, die sich keine Energie mehr leisten könnten, und die Zerstörung unseres gemeinsamen Hauses, der Erde.

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Harte, aber wahre Worte. Und Guterres leitet aus seiner Erkenntnis eine klare Forderung ab. “Ich dränge alle Regierungen, diese exzessiven Profite zu besteuern und mit dem Geld die Ärmsten in diesen harten Zeiten zu unterstützen.” Wovon er da spricht, ist eine Übergewinnsteuer.

Spanien, Italien und Griechenland haben die Sonderabgabe eingeführt

In Deutschland machen sich inzwischen auch die Chefinnen von SPD und Grünen, Saskia Esken und Ricarda Lang, für diese Art Soli der Gas- und Ölbranche stark. Sie wollen mit ihm weitere Entlastungen vor allem einkommensschwacher Bürger finanzieren, für die Strom und Gas sonst unerschwinglich wird. Esken und Lang verweisen dabei auf Länder wie Spanien, Italien, Griechenland und Großbritannien, wo es eine Übergewinnsteuer schon gibt, oder sie in Kürze eingeführt wird.

FDP-Chef Lindner legt sich quer

Das Problem nur. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ist strikt gegen eine solche Sondersteuer. Und Kanzler Olaf Scholz scheut – wie schon bei Tempolimit oder Impfpflicht – wieder einmal den Konflikt mit dem Koalitionspartner. “Derzeit nicht vorgesehen”, erteilt Scholz dem Vorstoß aus den eigenen Reihen eine Absage und verweist auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

Dort steht allerdings auch nichts von der Gasumlage, die das Kabinett jetzt im Eiltempo einführt. Sie bürdet Gaskunden zu den galoppierenden Energiepreisen saftige Zusatzkosten auf. Sie können nach vorläufigen Berechnungen des Vergleichportals Verivox mehr als 1000 Euro im Jahr ausmachen.

Zapfsäule an einer Tankstelle
Zapfsäule an einer Tankstelle Extragewinne von fast 100 Milliarden Dollar Foto: PlaNet Fox/Pixabay

Es geht aber nicht nur um soziale Gerechtigkeit. Die Gewinn-Bonanza der Gas- und Ölmultis gefährdet überdies massiv den Kampf gegen die Erderhitzung. Dabei ist es längst zehn Minuten nach Zwölf, wie die aktuellen verheerenden Dürren, Hitzetote, Waldbrände und Überflutungen rund um den Globus bedrückend dokumentieren.

Öl- und Gasindustrie investiert gerade einmal vier Prozent in Wind und Sonne

Doch statt die Extragewinne wenigstens für den Ausbau erneuerbarer Energien zu nutzen, beglücken die Konzern-Vorstände lieber ihre Aktionäre, indem sie das Geld an sie ausschütten. Einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge, steckte die Branche 2021 gerade einmal beschämende vier Prozent ihrer Investitionen in Wind und Sonne.

Schlimmer noch: Es fließt wieder mehr Geld in die Erschließung neuer Öl- und Gasreserven. Nur ein Beispiel. Zwar hat US-Präsident Joe Biden im Senat doch noch eine Mehrheit für sein abgespecktes Klima- und Energiegesetz gefunden. Aber zu einem für den Klimaschutz hohen Preis. Biden musste zugestehen, dass etwa BP im Golf von Mexiko nach den fossilen Energieträgern bohren darf. Zudem betont das Papier die künftige Bedeutung von Öl und Gas. Sprich es gibt eine Art Bestandsgarantie.

Die grüne Transformation bleibt auf der Strecke

Damit gerät die Welt aber immer weiter ab vom erklärten Pfad in eine CO2-neutrale Zukunft. Für Lukas Ross von der Umweltorganisation “Freunde der Erde” ist klar: “Die Öl- und Gasindustrie ist dabei, eine neue Welle an Emissionen festzuschreiben.”

Klimaaktivisten glauben, eine bessere Idee zu haben: Finger weg lassen von den fossilen Reverven und stattdessen das Geld aus einer Übergewinnsteuer beispielsweise gezielt in die Dämmung von Gebäuden lenken. Und mit ihm zügig Wind- und Sonnenkraft ausbauen – weltweit. Unterstützung für diese Position finden sie bei UN-Generalsekretär Guterres. “Wir müssen das Geld dringend in die Anstrengungen zur grünen Transformation umleiten”, fordert er.

Ob Olaf Scholz das hört?

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Dieter Dürand

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