Die Solarindustrie kann sich die Hände reiben: Massenweise lassen sich Immobilienbesitzer derzeit Sonnenkraftwerke aufs Dach schrauben, um preiswert Strom zu ernten. Die geplante Solarpflicht würde den Boom für viele Jahre sichern.
Da ist EU-Kommissar Frans Timmermans, zuständig den grünen Aufbruch Europas zu koordinieren und voranzustreiben, dem deutschen Klimaminister Robert Habeck zuvor gekommen. Während der sich noch an Details abarbeitet, verkündet der Niederländer, eine Solarpflicht für alle neuen Gebäude in Europa bis 2029 einführen zu wollen. „Wir wollen durch leuchtende Beispiele führen“, sagt Timmermans selbstbewusst. „Die Kommission will zeigen, wie schnell Europa vorangehen kann.“
Solarpflicht für Büros, Rathäuser und Privatdächer
Die Solarpflicht soll für alle öffentlichen, kommerziellen und privaten Neubauten gelten. Schon in drei Jahren sollen die Photovoltaik (PV)-Anlagen mit mehr als 320 Gigawatt (GW) eine doppelt so hohe Leistung bereitstellen als 2020 installiert war. 2030 soll die Kapazität fast 600 GW erreichen.
Um Europa möglichst zügig aus seiner Energieabhängigkeit von Russland zu befreien, umfasst Timmermans Plan weitere Punkte: Jährlich doppelt so viele Wärmepumpen zu installieren wie derzeit. Ebenso das Windkraftpotential zu verdoppeln, und in Europa bis Ende des Jahrzehnts zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren, als Brennstoffersatz und Ausgangsstoff für viele chemische Prozesse.
210 Milliarden Euro kostet der Energieumbau
Billig wird die Zeitenwende nicht. Der Kommissar rechnet mit notwendigen Investitionen von 210 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027.
Die hiesige PV-Branche kann ihr gegenwärtiges Glück kaum fassen. Einst führend auf dem Weltmarkt bei dieser Schlüsseltechnologie einer klimaschonenden Energieversorgung, verlor sie immer mehr an Boden. Mit gezielter Industriepolitik schwang sich China zur globalen Nummer eins auf und degradierte deutsche Konkurrenten zu Randfiguren. Zuletzt ereilte Wacker Chemie beim Ausgangsstoff Polysilizium dieses Schicksal.
Jeder sechste Hauseigentümer plant Kauf einer Solaranlage
Jetzt das Signal aus Brüssel. Gerade erst erreichte das Geschäftsklima in der Branche mit einem Index von 149 ein neues Allzeithoch. Das ergab eine Umfrage des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW). 32 Prozent mehr PV-Leistung meldeten Handwerker und Hersteller fürs erste Quartal dieses Jahres. Um die steigenden Strompreise abzufedern, denkt dem Verband zufolge fast jeder sechste Hauseigentümer daran, in den nächsten zwölf Monaten eine Solaranlage anzuschaffen.
Auf deutschen Dächern ist noch viel Platz dafür. Das zeigt eine Übersicht des Hamburger Ökostromanbieters Lichtblick. So schöpft die Solarbranche neuen Mut. Die Zahl der Jobs hat sich gegenüber dem Tiefststand schon wieder um ein Viertel auf gut 50 000 erhöht. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig hofft sogar auf 100 000 Arbeitsplätze bis 2030.
Aufbau neuer Fetigungskapazitäten
Weil die Umsätze in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent auf nun knapp zehn Milliarden Euro zulegten, haben die Unternehmen wieder Luft für Investitionen in neue Fabriken. „Die Hälfte aller Fertigungskapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sollten wir vor Ort haben“, sieht Körnig gewaltigen Nachholbedarf.
Doch im Lichte der positiven neuen Rahmenbedingungen verbreitet er Zuversicht. „Wir arbeiten uns gerade wieder aus dem Tal der Tränen heraus.“
Hinterlasse jetzt einen Kommentar